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Testbericht: Mass Effect 2

25. 02. 2010 | Kategorie: Testberichte

Commander Shepard ist zurück: Nach den bereits hervorragend inszenierten Ereignissen des ersten Teils ist es nun endlich an der Zeit, noch tiefer in das Universum der Mass Effect-Trilogie einzutauchen. Lest hier, ob Entwickler Bioware das hohe Niveau des Serienauftakts halten oder sogar übertreffen kann.

Gespräche sind ein zentrales Element des SpielsUnsere Reise an Bord des bekannten Raumkreuzers „Normandy“ beginnt dramatisch: Wir werden Zeuge, wie Shepard sich mit letzter Kraft durch sein brennendes und von Explosionen heimgesuchtes Schiff zu seinem Piloten „Joker“ durchschlägt und ihm das Leben rettet. Kurz darauf zerreißt eine weitere heftige Explosion die Normandy und schleudert unseren Protagonisten hinaus ins All. Ganz richtig: Shepard, der alle Widrigkeiten des ersten Mass Effect souverän gemeistert hat, ist tot.

Dieser dramatische Auftakt ist aber natürlich nicht das Ende: Zwei Jahre später gelingt es der menschlichen Widerstandsgruppe „Cerberus“, den Commander mit modernster Technik zurück ins Leben zu holen. Die Gruppierung, allen voran ihr mysteriöses Oberhaupt „der Unbekannte“, hält Shepard für den idealen Kommandanten einer Spezialeingreiftruppe. Diese soll das rätselhafte Verschwinden einer ganzen menschlichen Kolonie namens „Freedom’s Progress“ aufklären, und schließlich den Kampf gegen eine außerirdische Kidnapper-Bande mit dem treffenden Namen „die Kollektoren“ aufnehmen.

Die Kämpfe erfordern verschiedene Taktiken und WaffenVon nun an fliegt ihr mit eurer neuen – und dezent verbesserten – Normandy durch die Galaxie und versammelt nach und nach ein Team von Spezialisten um euch, das euch bei der gefährlichen und recht aussichtslosen Mission unterstützen soll. Ziemlich schnell wird klar, dass die Entwickler weiter vom detailverliebten Rollenspiel abgewichen sind und Mass Effect 2 somit noch actionlastiger und gradliniger als sein Vorgänger geworden ist. In Kampfmissionen habt ihr stets zwei Begleiter um euch versammelt, denen ihr Befehle geben dürft. Die Steuerung wurde im Vergleich zu Mass Effect deutlich entschlackt und dürfte auch Neueinsteigern schnell in Fleisch und Blut übergehen.  Mit wenigen Tastendrücken scheucht ihr eure Mitstreiter kontextsensitiv durch die Gefechte oder lasst sie ihre speziellen Fähigkeiten einsetzen. Auch die Punkteverteilung nach einem Levelaufstieg wurde weiter zusammengeschrumpft, obwohl diese bereits in ersten Teil nicht sonderlich komplex war. Rollenspielpuristen werden sich an dem vereinfachten Gameplay zwar stören, allerdings wird Mass Effect 2 dadurch nicht nur wesentlich zugänglicher, auch die Erzählgeschwindigkeit profitiert von den Designentscheidungen.

Die Charakterentwicklung wurde weiter vereinfachtFür alle, die beim Spielen gerne vollends in einer Rollenspielwelt versinken, hat Mass Effect 2 natürlich dennoch etwas zu bieten: Schließlich wäre Bioware nicht Bioware, wenn man nicht wieder viel Wert auf ein ausgeklügeltes Charakterdesign und eine intensive Story gelegt hätte. Jede auftauchende Figur im Spiel ist nicht nur austauschbares Beiwerk, sondern hat eine eigene Persönlichkeit. Oft weiß man nicht, welche Motive ein Charakter verfolgt oder wie seine Einstellung gegenüber Shepard ist. Auch entwickeln sich die Beziehungen der Protagonisten und Antagonisten im Laufe des Spiels und erleben zahlreiche Wendepunkte. Die Story und ihre Charaktere wirken auf den Spieler wie ein Sog, der ihn immer tiefer in das Universum hineinzieht. Für alle, die noch etwas mehr wollen, bieten Shepards Aufzeichnungen unzählige Hintergrundinformationen in Textform, die im Spiel auftauchende Spezies, Vereinigungen und Charaktere ausführlicher erläutern. Um einen umfassenden Einblick in die Welt von Mass Effect zu erhalten, sollte man natürlich den ersten Teil gespielt haben: Schließlich haben die Entwickler das Spiel von vornherein als Trilogie geplant, sodass alle Ereignisse ein stimmiges, großes Ganzes ergeben. Ihr dürft sogar euren Charakter aus Mass Effect importieren und mit seinen Fähigkeiten weiter spielen: Das Gameplay passt sich dabei an eure Spielstärke an.

Die Motive der Charaktere sind oft nicht eindeutigJe nachdem, ob ihr euch im Spiel vorbildlich oder rüpelhaft benehmt, schaltet ihr neue Gesprächsoptionen frei, die den Verlauf ganzer Missionen verändern können. Dennoch ist die Tragweite eurer Handlungen begrenzt: So könnt ihr wichtige Schlüsselpersonen nicht töten oder mit grobem Verhalten vergraulen, auch gibt es keine alternativen Enden, die ihr durch eure Spielweise beeinflussen könntet. Dennoch stellen die Gespräche ein zentrales atmosphärisches Element in Mass Effect 2 dar, das dank intelligenter Kameraeinstellungen, einer gelungenen Mimik und gekonnten Schnitten glücklicherweise nicht zu trocken ausgefallen ist. Generell hat man während des gesamten Spielverlaufs das Gefühl, dass die Balance zwischen actionreichen Schusswechseln und ruhigen Gesprächsmomenten, die die Geschichte vorantreiben, gut durchdacht ist. Auch als lästige Lückenfüller empfundene Designschnitzer des Vorgängers wurden beseitigt: Versteckte Ladepausen in Form von quälend langen Aufzugsfahrten oder das triste Herumirren auf Planetenoberflächen in schwer lenkbaren Fahrzeugen sucht man in Mass Effect 2 zum Glück vergeblich.

Die Mimik ist gut gelungen und sehr atmosphärischBereits im Vorfeld mussten sich die Entwickler viel Kritik für die immer noch verwendete Unreal 3-Engine anhören: Diese ist mittlerweile etwas in die Jahre gekommen und kann besonders bei Texturdetails und Effekten nicht mehr ganz mit anderen aktuellen Titeln mithalten. Dennoch hat Bioware noch den letzten Rest aus dem betagten Unterbau herausgekitzelt und überrascht mit netten Lichteffekten und nicht zuletzt einer hervorragenden Mimik und detaillierten Gesichtern. Leider werden aus der Nähe immer wieder unscharfe Texturen auf der Umgebung und der Kleidung der Charaktere sichtbar, was oft an der ansonsten so gelungenen Illusion kratzt. Eines ist sicher: Sollten die Entwickler für Mass Effect 3 auf eine modernere Engine wechseln, könnte das das gelungene Gamedesign angemessener unterstützen und den Abschluss der Trilogie so in Sachen Atmosphäre zum absoluten Überflieger erheben.

Fazit:

Bioware hat es geschafft: Mass Effect 2 kann in Sachen Atmosphäre und Spielbarkeit noch zulegen und beerbt den bereits hervorragenden Vorgänger damit würdevoll. Alle Schwächen des ersten Teils wurden ausgebügelt, ohne neue Designschnitzer hinzuzufügen. Lediglich das Opfern weiterer Rollenspielelemente zugunsten einer flüssigeren Erzählweise dürfte Puristen sauer aufstoßen. Nimmt man Mass Effect 2 aber als gelungenen Genre-Mix hin, zieht einen die intensive Story rund um fein ausgearbeitete Charaktere Bioware-typisch schnell in ihren Bann. Lediglich die betagte Unreal 3-Engine bremst die Atmosphäre an einigen Stellen aus: Hier haben die Entwickler für Teil 3 also noch genug Luft nach oben. Simon Weiß

Wertung: 9/10

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