Videospielkultur.de » Testberichte

Testbericht: Toy Story 3

19. 07. 2010 | Kategorie: Testberichte

Nicht schon wieder ein Videospiel zu einem aktuellen Kinofilm. Dieser oder ähnliche Gedanken dürften den meisten Spielern kommen, wenn sie an zurückliegende Experimente denken, bei denen versucht wurde, ihnen mit der Lizenz zum Film nur das Geld aus den Taschen zu ziehen. Warum bei Toy Story 3 alles anders ist, könnt ihr unserem ausführlichen Testbericht entnehmen.

Toy Story 3Zwar kommt der dritte Teil der Spielzeug-Saga aus dem Hause Disney erst in der nächsten Woche ins Kino, das Videospiel ist aber bereits seit einer Woche für alle gängigen Konsolen und den PC im Handel erhältlich (unser Test bezieht sich auf die PS3-Version). Um nicht allzu viel zu spoilern, sei zur Handlung des Spiels nur soviel gesagt, dass diese sich naturgemäß stark an der Leinwand-Version orientiert. Andy, der Besitzer altbekannter Spielzeug-Helden wie Cowboy Woody oder Astronaut Buzz Lightyear geht mittlerweile aufs College. In einem Kindergarten finden die ausgedienten Spielzeuge eine neue Bleibe und erleben Abenteuer in bester Toy Story-Manier. Bis hierhin ist also weder die Handlung an sich, noch der Fakt, dass Spiel und Film eng verschmolzen sind besonders innovativ oder lobenswert. Was dann aber doch dazu führt, dass Toy Story 3 mehr ist, als ein reiner Lizenz-Abklatsch sind die Vielseitigkeit und das Facettenreichtum des Spiels. Zuerst einmal wären da die beiden Spielmodi. Neben dem eigentlichen Story-Modus, der an mehreren Schauplätzen spielt, bietet das Spiel auch einen "Spielzeugkisten"-Modus, in dem ihr ähnlich wie in Simpsons: Hit & Run eine komplette Spielwelt mit den altbekannten Charakteren erkunden dürft.

Toy Story 3Bereits der Story-Modus bietet enormen Abwechslungsreichtum, wenn auch der zeitliche Umfang des Spiels eher durchschnittlich ausgefallen ist. Die Zahl der Missionen ist aber nicht das Argument, mit dem Toy Story 3 besticht. Vielmehr sind es die unterschiedlichen immer wechselnden Spielelemente, die zu überzeugen wissen. Von einer Verfolgungsjagd inklusive Ausweichmanövern auf einem fahrenden Zug über Flugeinlagen durch enge Schluchten bis hin zur Eroberung von Mondbasen inklusive Jump'n Run- und Shooter-Einlagen ist das Portfolio des Spiels einfach enorm vielfältig. Schön dabei ist, dass die zahlreichen unterschiedlichen Spielszenen allesamt in ein einheitliches Steuerungskonzept gepackt werden konnten: Im Prinzip handelt es sich bei Toy Story 3 erst einmal um ein Third-Person Jump'n Run. Die Kameraperspektive lässt sich in den meisten Fällen völlig frei wählen, was nicht verhindern kann, dass gerade an Wänden die altbekannten Übersichtsprobleme auftauchen, mit denen Third-Person Spiele seit jeher zu kämpfen haben. In einigen Abschnitten wird die Kameraperspektive auch eingefroren, um beispielsweise aus der Third-Person Perspektive in die Vogelperspektive zu wechseln. In den Kampfszenen wiederum, zoomt die Kamera nah an die Spielfigur heran und es wird ein Fadenkreuz eingeblendet, so dass Toy Story 3 hier beinahe zum Shooter wird.

Toy Story 3Nicht nur die kinoreife Inszenierung durch die variablen Kamerafahrten sorgen für ein rasantes Gamplay, sondern auch die zahlreichen Action-Einlagen. Neben den bereits angesprochenen Beispielen seien hier nur die Autorennen erwähnt, die das Spiel um eine weitere Genre-Komponente erweitern. Zwischendurch wird der Rasanz aber immer wieder ein Riegel in Form von Rätseln vorgeschoben. Diese sind zwar nicht außerordentlich schwierig, aber ein weiterer Faktor, der ähnlich wie die zahlreichen Minispiele für Abwechslung sorgt. Bei letzteren gibt es meist die Möglichkeit, einen je nach Abschneiden unterschiedlichen Rang zu erreichen, was dem Wiederspielwert natürlich gut tut. Da passt es auch gut ins Konzept, dass die Minispiele nicht unbedingt zu den leichten Passagen des Spiels gehören. Scheinen sich die Entwickler in diesem Fall beim hohen Schwierigkeitsgrad etwas gedacht zu haben, so ist es an anderen Stellen vermutlich nicht der Fall. Einige wenige Passagen sind nicht nur außerordentlich schwer, sondern beinahe unfair. So gibt es eine Szene, bei der ihr als Buzz Lightyear Felsen in einer engen Schlucht ausweichen müsst. Schafft ihr dies nicht, so wird euch nicht nur Energie abgezogen -was akzeptabel wäre-, sondern eure Spielfigur wird relativ ungeschickt in der Nähe des Absturzpunktes platziert. So etwas wie einen kurzen Moment der Unverwundbarkeit nach einer Verwundung kennt Toy Story 3 nicht, so dass sich einzelne Fehler oft zu einer Kettenreaktion hochschaukeln. Das Spiel bietet zwar eine recht komfortable Speicherfunktion an und selbst in einzelnen Passagen sind oft mehrere Speicherpunkte vorhanden, der fade Beigeschmack einiger weniger frustrierender Szenen bleibt aber leider erhalten.

Als wäre der Story Modus mit seinen vielseitigen Mission nicht schon genug, wartet Toy Story 3 obendrein noch mit einem sogenannten Spielzeugkisten-Modus auf, der ganz im Stil von Grand Theft Auto als "Open World" Modus daher kommt. In diesem dürft ihr eine komplette Western-Stadt der Spielzeugwelt samt Umland erkunden, Aufträge ausführen und die Spielwelt sogar selbst gestalten. Das Erfüllen von Aufträgen ermöglicht nicht nur das Fortfahren im Plot, sondern dient vor allen Dingen dem Erlangen von Gold und dem Freischalten neuer Spielzeuge. Bis auf den ersten Punkt lassen sich alle weiteren genannten Extras übrigens auch durch das Erledigen von Nebenquests erhalten. Neben dem erfolgreichen Abschließen von Aufträgen kann Gold auch einfach mit der Spitzhacke abgebaut werden, wenn es euch in der Spielwelt begegnet. Zu behaupten, Toy Story 3 enthielte aufgrund des Quest-Systems und der Möglichkeit des Goldabbaus Rollenspiel-Elemente oder erinnere gar an World of Warcraft, wäre dann aber doch des Guten zuviel.

Toy Story 3Trotzdem macht der Spielzeugkisten-Modus Spaß: Das Gold kann nicht nur dafür ausgegeben werden, neue Bewohner aus der Spielzeugwelt in euer Dorf zu locken, sondern auch zum Bau von Gebäuden verwendet werden. Während beispielsweise ein Gefängnis dazu dient, Banditen aufzunehmen, lass sich in der Schneiderei Dorfbewohner individuell einkleiden. Toy Story 3 enthält also tatsächlich sogar einen kleinen Aufbaustrategie-Part, wenngleich dieser dann doch sehr direkt ausgefallen ist: Zwar lässt sich der Bauplatz eines Gebäudes ganz wie in einem klassischen Aufbauspiel selbst auswählen, bevor es automatisiert von einer Baukolonne errichtet wird. Im Anschluss an den Bauvorgang, muss sich der Spieler aber selber darum kümmern, dass das Gebäude seinen Zweck erfüllt. Banditen landen beispielsweise nicht automatisch im Gefängnis, sondern müssen beim Erscheinen von euch gefasst und selbstständig zum Gefängnis gebracht werden. Nicht nur deswegen hat man im Spielzeugkisten-Modus immer etwas zu tun. Ganz wie schon im Story-Modus warten nämlich auch hier viele Minispiele darauf, von euch entdeckt zu werden. Ein weiterer Höhepunkt des Spielzeugkisten-Modus sind sicher die Umgebungserweiterungen. So könnt ihr beispielsweise einen "Anbau" erwerben, der die Spielwelt um eine komplette Fantasy-Umgebung samt Drachen, der von eurer Spielfigur geritten werden kann, erweitert. Weitere Erweiterungen sind beispielsweise eine Spukwelt oder diverse Rennstrecken mitsamt Rampen und Loopings. Die passenden Fahrzeuge lassen sich natürlich ebenfalls im Spielzeugladen erwerben.

Toy Story 3So umfassend das Gameplay von Toy Story 3 auch sein mag, müssen natürlich auch ein paar Worte zur technischen Umsetzung des Spiels verloren werden. Die Grafik macht im Großen und Ganzen einen recht guten Eindruck, der nur von selten auftretenden, minimalen Rucklern gestört wird. Die Umgebungstexturen sind zwar sicher nicht das Maß aller Dinge, ansonsten kann die detaillierte Spielwelt aber größtenteils überzeugen, gerade was die Darstellung der Spielfiguren während der Zwischensequenzen betrifft . Auch die Detailverliebtheit, die an vielen Stellen des Spiels immer wieder auffällt, verhilft dazu, den positiven Ersteindruck im Verlauf des Spiels immer wieder zu bestätigen. Beim Sound ging man bei Disney Interactive ebenfalls kein Risiko ein und setzte größtenteils auf die selben Synchronsprecher wie im Film. Zusammen mit der ebenfalls kinoreifen Hintergrundmusik, die nur manchmal aufgrund des Spielzeug-Themas etwas zu einseitig wirkt, gibt sich das Spiel auch in diesem Punkt keine Blöße.

Fazit

Toy Story 3 ist ein erfreuliches Beispiel dafür, dass ein "Spiel zum Film" auch Spaß machen kann. Das liegt nicht nur an dem immensen Abwechslungsreichtum, dem mit dem Spielzeugkisten-Modus die Krone aufgesetzt wird, sondern auch an der Detailverliebtheit des Spiels. Hier wurde offensichtlich nicht auf die Schnelle dahin programmiert, sondern die Entwickler haben viel Zeit in die zahlreichen Details gesteckt, was man beim Spielen merkt. Trotz all des Lobes sollte man über die Schwächen des Spiels aber dennoch nicht hinweg sehen. Hierzu zählen einige wenige frustrierende Spielabschnitte ebenso wie die ebenfalls selten auftretenden leichten Ruckler. Letzten Endes ist Toy Story 3 zudem natürlich nur etwas für Leute, die sich zumindest ein bisschen für den Film und das Spielzeug-Szenario begeistern können. Ist das der Fall, kann man bei Toy Story 3 eigentlich nicht viel falsch machen. Mario Siewert

Wertung: 8/10

Kommentar verfassen:

Dein Name:   

Sicherheitscode:  



 

Bisherige Kommentare:

Es gibt bisher noch keine Kommentare.