Videospielkultur.de » Testberichte

Testbericht: Assassin’s Creed 2

03. 12. 2009 | Kategorie: Testberichte

Florenz, 1476. Es ist Sommer in der toskanischen Hauptstadt. An einem Tag der gewöhnlicher nicht sein könnte, versammeln sich die florentinischen Bürger auf dem Piazza della Signora zu einer öffentlichen Kundgebung. Ebenfalls anwesend ist der junge Ezio Auditore da Firenze. Hilflos muss er mit ansehen, wie sein Vater und seine zwei Brüder vor der jubelnden Meute hingerichtet werden. Was der Vollstrecker noch nicht weiß: auch er hat damit sein Todesurteil unterzeichnet.

Es war nicht die Frage ob, sondern vielmehr wann das heißersehnte Sequel zu dem 2007er Ubisoft Titel Assassin’s Creed erscheint. Damals als einzigartiges Action-Adventure angepriesen, entpuppte sich der erste Ausflug als vormoderner Meuchelmörder leider sehr schnell als ein undurchdachtes Paket Langeweile in verdammt schicker Optik und einmaligem Setting. Trotzdem verkaufte sich Assassin’s Creed über 6 Million Mal für PlayStation 3, Xbox 360 und PC – nicht nur aufgrund dessen war eine Fortsetzung abzusehen. Auch die äußerst komplexe Handlung deutete an, dass wir uns erst am Anfang eines ganz großen Franchise befinden. Und so steht nun seit vergangener Woche Assassin’s Creed 2 – wohlgemerkt zunächst nur für die Konsolen – im Verkaufsregal und soll die Fehler aus dem ersten Spiel wieder gut machen. Soll es.

Screenshot: Assassin’s Creed 2Wir erinnern uns: In Teil 1 jagten wir nicht nur als mittelalterlicher Assassine Altair über die Dächer von Akkon, Jerusalem und Damaskus, um die neun aufgetragenen Attentate auszuführen, sondern waren auch als Desmond Miles in der Zukunft vertreten. Dieser wurde von der Templer-Organisation Abstergo entführt und an den Animus angeschlossen, der ihn mittels DNA-Synchronisierung in die Erinnerung seines Vorfahren Altair versetzen konnte. Dadurch erhofften sich die Entführer einen Hinweis auf den Verbleib eines Edensplitters, einem mächtigen Artefakt, dessen sich die Führungspersonen von Abstergo bemächtigen wollen. Zum Ende entdeckte Desmond nicht nur rätselhafte in Blut gezeichnete Symbole eines „Subjekt 16“ an den Wänden der Abstergo-Räumlichkeiten, sondern erkannte auch die rätselhafte Lucy als Mitstreiter.

Und genau hier setzt Assassin’s Creed 2 ein, mit der Flucht aus Abstergo mithilfe von Lucy. Sie führt euch in einen verlassenen Industriekomplex, indem die beiden Assassinen Rebecca und Shaun schon Vorbereitungen für Desmonds erneutes Eintreten in einen Animus vorbereitet haben. Ihre Hoffnung liegt darin, dass er alle erfahrenen Erinnerungen aufnimmt, und damit innerhalb kürzester Zeit zu einem Assassinen in der Realität ausgebildet wird – Sickereffekt nennt sich das ganze dann. Ohne viel Zeit zu verschwenden landet Desmond dann auch schon in der Erinnerung eines seiner Vorfahren; doch statt erneut durch die Augen von Altair zu blicken, sieht er nun durch Ezio. Auch die Umgebung hat sich spürbar geändert: Aus dem 12. wurde das 15. Jahrhundert, das mittelalterliche Heilige Land weicht dem Italien der Renaissance.

Wie man bereits in den drei frei im Internet verfügbaren Kurzfilmen Assassin’s Creed: Lineage herausfinden konnte, war auch Ezios Vater, Giovanni Auditore da Firenze, ein Mitglied des Assassinen-Bundes, gleichzeitig aber auch ein hoch angesehener Bankier in Florenz. Er wird zu Beginn des Spiels von Umberto Alberti verraten und zusammen mit zwei seiner Söhne öffentlich hingerichtet. Das Unvermeidbare tritt ein: Ezio beschließt, sich an Alberti zu rächen, lässt sich zum Auftragskiller trainieren und erkennt, dass eine großangelegte Verschwörung hinter dem Mord an seiner Familie liegt.

Nachdem ihr nun als Desmond Miles Abstergo verlassen habt, ein bisschen hier und da Konversation geübt habt und endlich die Kontrolle über Ezio erhaltet, macht sich zunächst Ernüchterung breit. Einige ziemlich langweilige Aufgaben wie „Finde drei Federn für den kleinen Bruder“, „Gewinne das Rennen gegen den großen Bruder“ oder „Begleite Leonardo zurück zum Auditore-Haus“ fordern vorerst etwas Geduld und beanspruchen die Gutmütigkeit des enttäuschten Assassin’s Creed-Spielers zu einem nicht ganz unerheblichen Maß. Spätestens jedoch mit dem Empfang der Assassinen-Kluft und der dazu passenden versteckten Klinge sinkt man vollends ein in die wunderschöne Welt von Assassin’s Creed 2.

Screenshot: Assassin’s Creed 2Und dann kann er ja eigentlich schon losgehen, der blutig-böse Rachefeldzug. Schon mit den ersten Schritten durch Florenz wird deutlich, dass man sich mit der Konzeption der Städte wieder größte Mühe gegeben hat – keine der frei erkundbaren Regionen steht denen aus dem ersten Teil in irgendeiner Weise nach. Im Gegenteil. Florenz, Venedig, San Gimignano, Forlì und die Toskana geben nicht nur grafisch ordentlich was her, sondern wirken auch belebt wie nie zuvor. Zahlreiche Nichtspieler-Charaktere streifen durch die Straßen der Städte und ländlichen Gebiete und gehen ihren Aufgaben nach, fegen, malern, angeln, betteln, singen, predigen, bestellen Land, stehlen. Außerdem wird so ziemlich jede Tat des Spielers von ihnen kommentiert und ausgewertet – verhält sich Ezio böse und mordet wild drauflos, hagelt es fiese Sprüche und Angriffe von Bürgern und Soldaten. Sehr zum Vorteil der Spielgeschwindigkeit wurde die in Assassin’s Creed eher nervige und karge „Zwischenwelt“, durch die man von Stadt zu Stadt reiten musste, in mehrere kleine Regionen aufgeteilt, in denen sich nun auch handlungsrelevante Missionen abspielen – folglich fühlt man sich keinen Moment lang dazu gezwungen, ein monotones Gebiet zu durchqueren. Wer sich dennoch daran stört, kann nach dem ersten Erkunden der Region gegen einen Obolus das Schnellreise-System benutzen.

Screenshot: Assassin’s Creed 2Stichwort Geld: Für Assassin’s Creed 2 wurde ein ebenso einfaches wie geniales Wirtschaftssystem entwickelt. So besteht dank diesem die Möglichkeit, Schmiede, Schneider, Ärzte und Künstler aufzusuchen, das Inventar aufzustocken und den Assassinen mit Upgrades zu versehen. Natürlich kommt man an die Gegenstände nicht kostenlos, und so muss man nebenbei Schatztruhen plündern, Bürger bestehlen, Nebenaufgaben erfüllen oder gegnerische Einheiten erlegen, um an die nötigen Florin zu gelangen. Zudem locken einige weitere versteckte Gegenstände zum Erforschen der Umgebung ein – und damit meine ich nicht die überall verstreuten Federn, die die Flaggen aus dem ersten Teil quasi ersetzen. Da wären unter anderem die sechs Teile einer Rüstung eines berühmt berüchtigten Assassinen, die sich in Katakomben oder Kirchen finden lassen und meist nur durch knifflige Jump-and-Run-Einlagen erreicht werden können. Relevant für den Spielverlauf sind die sogenannten Kodexseiten, mithilfe derer Ezios Freund Leonardo DaVinci neue Waffen basteln kann, und die zudem ein wichtiges Geheimnis in sich bergen – welches an dieser Stelle auch eins bleiben soll. Hinter den optional zu findenden Glyphen verstecken sich nicht nur wirklich knackige Logikrätsel, sondern auch beträchtliche Hintergrundinformationen zur Mythologie von Assassin’s Creed. Denn mit jedem gelösten Denkspiel wird ein etwa einsekündiger Videoschnipsel von zwei rennenden Nackedeis freigeschalten, die natürlich erst im Zusammenspiel Sinn ergeben – lohnenswert ist die viele Arbeit dafür aber allemal!

Screenshot: Assassin’s Creed 2Passend, weder originell noch störend, sind die Nebenmissionen geraten, die diesmal neben ihrer Checkpoint-Rallye-, Briefboten- und Prügel-den-Ehemann-Ideenansammlung um Auftragsmord und spontan ausgelöste Fang-den-Dieb-Einsätze ergänzt werden. Womit wir bei einem weiteren, wenn nicht gar dem größten Manko aus Teil 1 wären: der nicht vorhandenen Nachvollziehbarkeit im Missionsdesign. Und auch hier kann Entwarnung gegeben werden, denn die Entwickler haben tatsächlich ordentlich an der Auftragsstruktur gewerkelt. Statt wie zuvor sinnlose Investigationen zu tätigen, um letztendlich an das heiß ersehnte Ziel zu gelangen, ist hier jede Aufgabe in die Handlung verwoben. Ein Beispiel: Beim Versuch einen Palast zu betreten um mit dem Stadtherren zu sprechen, werden wir Zeuge eines Angriffs der Diebesgilde auf die bewachenden Soldaten. Eine Diebin wird verletzt und wir müssen sie spontan vor Angreifern schützen. Weil sie zunehmend an Kraft verliert, tragen wir die Holde schließlich zu einer Gondel, die wir entlang eines venezianischen Kanals eskortieren und Bogenschützen fern halten müssen. Die Aufgaben sind generell spürbar komplexer geworden und nur selten kommt die Frage auf, warum denn jetzt dieser Auftrag ausgeführt werden muss, um jenen in Angriff nehmen zu können. Abwechslungsarmut ist also kein großes Problem mehr bei Assassin’s Creed 2.

Screenshot: Assassin’s Creed 2Indes nahezu unangetastet blieb die Spielmechanik. Nach wie vor kann man sich an so ziemlich jeder Wand entlang hangeln und jedes noch so hohe Haus besteigen, was dank der mit Abstand besten und stets butterweichen Animationen so klasse aussieht wie eh und je. Auch einige neue Bewegungen hat Ezio spendiert bekommen, denn nun kann er nicht nur an einer Wand hängend nochmals einen Sprung nach oben vollführen, sondern endlich – man glaubt es kaum – schwimmen. Wäre doch gelacht, könnte man bei einem Ausflug ins schöne Venedig mit seinen wohlriechenden Kanälen nicht spontan einen Sprung ins kühle Nass wagen. Das Wasser lässt sich zudem auch dazu nutzen, um vor Gegnern – allesamt Nichtschwimmer – zu fliehen und im wahrsten Sinne unterzutauchen. Das ist auch bitter nötig, denn wurde man erstmal aufgrund seines rüpelhaften Benehmens von einem Trupp Soldaten erkannt, kennen diese kein Pardon und jagen Ezio solange, bis er entkommen ist oder tot am Boden liegt.

Screenshot: Assassin’s Creed 2Als Versteck dient jedoch nicht nur das Wasser, sondern auch Heuhaufen, Brunnen, Bänke und Menschenmassen – letzteres mit dem Unterschied zu Assassin’s Creed, dass man sich nun nicht mehr nur auf umherlaufende Mönche verlassen muss, sondern in jeder beliebigen Menge unsichtbar werden kann. Auch neu sind die Möglichkeiten, aus dem Versteck heraus anzugreifen, Gegner so zum Beispiel in einen Heuhaufen oder vom Dachvorsprung zu zerren, sowie deren Leichen zu verstecken – was allerdings so gut wie kaum nützliche Anwendung findet. Schlägt man zu häufig über die Stränge, verdeutlicht eine Anzeige den Auffälligkeits-Status – ist er gänzlich rot gefüllt, führt nur selten ein Weg an einer lebenden Wache vorbei. In diesem Falle ist es ratsam, einige der vielen in der Stadt aufgehängten Flugblätter zu beseitigen oder ein Attentat auf einen weiteren von der Wache gesuchten Schurken zu verüben. Nett und strategisch durchaus zu gebrauchen ist in diesem Zusammenhang das erneuerte Fraktionssystem: Kurtisanen, Söldner oder Diebe lassen sich anheuern und unterschiedlich einsetzen. Während Kurtisanen schwärmerisch um Ezio herumtänzeln und jede sich nähernde Wache ablenken, kann man Söldnern den Befehl zum Angriff, Dieben den zur Ablenkung selektierter Ziele geben.

Screenshot: Assassin’s Creed 2Selbstverständlich kann Ezio als ausgebildeter Assassine auch selbst das Schwert oder den Dolch schwingen und sich zur Wehr setzen. Während der Angriff aus dem Hinterhalt mit der unter dem Ärmel versteckten Klinge oder Wurfmessern die unkompliziertere Lösung bleibt, sind auch die offenen Konfrontationen mit mehreren Gegnern durchaus spannend inszeniert, wenn auch durch pausenlos konsumierbare Heiltränke noch viel zu einfach. Großes Highlight sind nach wie vor die Konter-Attacken, für die der Spieler im richtigen Moment angreifen muss, um auf ziemlich grobe Weise den Kontrahenten außer Gefecht zu setzen. Etwas mehr Übung fordert hingegen die Fähigkeit, Feinde zu entwaffnen und sie mit ihren eigenen Waffen zu schlagen, oder nach ihnen zu greifen und sie als Schutzschild zu benutzen. Da es nun auch mehrere unterschiedlich schnelle und starke Klassen von Soldaten gibt, reagieren diese natürlich auch anders auf Ezios Attacken – nicht jeder lässt sich ohne Widerspruch greifen oder entwaffnen. Um sich auf jede Gelegenheit richtig vorbereiten zu können, wurde auch das Waffenarsenal erweitert: Giftklinge, Versteckte Pistole, eine zweite verborgene Klinge und Rauchbomben warten nur auf den richtigen Gegner im richtigen Moment.

Von den zahlreichen Verbesserungen gegenüber dem Vorgänger ist natürlich auch die Technik nicht ausgenommen. Grafisch bietet das Spiel durchaus ansehnliche Kost – ein Angriff auf die aktuelle Konsolenreferenz Uncharted 2 ist Assassin’s Creed 2 jedoch nicht. Auch wenn die Animationen fantastisch aussehen und die Umgebung glaubwürdig gestaltet wurde, muss die Engine doch einige Abstriche machen. Besonders in den zahlreichen Zwischensequenzen wird demonstriert, dass Figuren größtenteils zu unecht aussehen, deren Mimik angemessen, aber nicht überragend ist und kleine Clippingfehler nahezu jede Kameraeinstellung bestimmen. Hinzu kommen die häufig flackernden Schatten, der träge Grafikaufbau und – zumindest auf der PlayStation 3 – absolut unvertretbares Tearing. Assassin’s Creed 2 sieht zweifellos schön aus, leistet sich aber leider auch einige grobe Patzer.

Keinen Grund zu Meckern bietet hingegen die akustische Umsetzung. Von einem phänomenalen Soundtrack des dänischen Komponisten Jesper Kyd, der maßgeblich an der tollen Atmosphäre des Spiels Schuld trägt, hin zu (man mag es kaum glauben) grandiosen deutschen Synchronsprechern und vorzüglichen Soundeffekten, wie dem charakteristisch-wuchtigen Donnern der versteckten Klinge, stimmt auf diesem Gebiet einfach alles. Die Steuerung bleibt quasi unverändert: intuitiv, leicht erlernbar und ab und an etwas schwammig.

Fazit

Assassin’s Creed 2 macht nahezu alles besser als sein Vorgänger. Nicht nur die zahlreichen Erweiterungen in Kampfsystem und Waffenarsenal, sowie das Wirtschaftssystem und die überzeugende offene Welt sind die großen Pluspunkte des neuen Ubisoft-Titels. Auch die packende Handlung, eingeschlossen in der einmaligen Assassin’s Creed-Mythologie, und den diesmal auch interessanten, tiefgründig gestalteten Charakteren lassen den Spieler stets mitfiebern. Die größtenteils offene und belebte Welt wurde mit zahlreichen Objekten gespickt, die zum Erforschen einladen und ihr den Sinn eines echten Sandbox-Spiels verleihen. Nicht so gut gefiel das allzu abrupte Ende, bei dem deutlich wurde, dass selbst ein 450 Mann starkes Entwicklerteam unter Zeitdruck geraten kann – vom viel zu leichten und verhältnismäßig unspektakulären Endkampf abgesehen, hätte auch der Schlauchlevel in Rom nicht mehr sein müssen. Technisch präsentiert sich Assassin’s Creed 2 durchaus zeitgemäß, weist aber leider auch kleine Schnitzer in Grafik und Steuerung auf. Davon einmal abgesehen gibt es als Genre-Fan eigentlich keinen Grund, hier nicht zuzugreifen! Tobias Czullay

Wertung: 8/10

Kommentar verfassen:

Dein Name:   

Sicherheitscode:  



 

Bisherige Kommentare:

Es gibt bisher noch keine Kommentare.