Testbericht: Call of Duty 4: Modern Warfare
Der zweite Weltkrieg ist vorbei: Ab sofort wird bei Entwickler Infinity Ward nur noch mit modernsten Waffen gekämpft. Statt Wehrmachtssoldaten sind es diesmal moderne Terroristen, die dem Spieler nach dem virtuellen Leben trachten. Kämpft es sich immer noch so spannend wie in den Schützengräben der 40er Jahre?
Fans von Ego-Shootern sind sich fast alle einig: Der zweite Weltkrieg ist eines der altbackensten Szenarien, das man für ein modernes Spiel verwenden kann. Während man sich bei EA wenig an dieser Tatsache stört und vor kurzem mit Medal of Honor: Airborne einen weiteren Titel dieser Gattung auf den Markt brachte, sind sich Entwickler Infinity Ward und Publisher Activision einig: Was damals funktionierte, macht sich auch in einem modernen Setting gut. Gesagt, getan: Call of Duty 4: Modern Warfare spielt sich fast genauso wie seine drei Vorgänger und zieht euch trotzdem sofort wieder in den Bann.
Die Story strotzt – wie sollte es auch anders sein – auch im vierten Teil wieder vor Hurra!-Patriotismus und erzählt aufs neue die Geschichte der Weltpolizei. Neben dem Einsatz als amerikanischer Vorzeigesoldat seid ihr aber auch an anderer Front in der Haut eines britischen Kämpfers unterwegs. Obwohl die Handlung in zwei verschiedenen Ländern spielt, ist die Bedrohung doch eine gemeinsame: Während ein russischer Revolutionär gerne Mütterchen Russland zu alter Stärke verhelfen will und zu diesem Zweck Atomwaffen stiehlt, sorgt ein nicht weniger entschlossener Kollege im Nahen Osten für die nötige Ablenkung auf der politischen Weltbühne, indem er die Regierung stürzt und dem Westen ebenfalls mit Atomwaffen droht. Obwohl die Handlung nicht real ist, fallen doch die Parallelen zum aktuellen Zeitgeschehen auf: Der Konflikt der Amerikaner in dem fiktiven Öl-Staat auf der arabischen Halbinsel erinnert frappierend an den Irakkrieg. Die Umstände der Story sorgen gerade durch ihren beklemmenden Realismus für ein Gefühl der schleichenden Paranoia.
Das Ziel ist natürlich klar: Als Held des Westens ist es eure erste Pflicht, die beiden Schurken von ihrem Vorhaben abzubringen. Der Weg dorthin ist aber steinig und verlustbehaftet, und dennoch will man ihn gehen: Kein Spiel der Call of Duty-Reihe hat es bis jetzt geschafft, mit einer derart hohen, durchgehenden Motivation zu begeistern. Durchhänger sind praktisch nicht vorhanden, von der ersten bis zu letzten Minute muss man stets auf der Hut sein. Dramatische Wendungen in der Handlung tragen dazu ebenso bei wie die unvorhersehbaren Entwicklungen während der Missionen: Zunächst ist das Ziel klar definiert, aber immer wieder kommt es durch äußere Umstände zu einer Planänderung und neuen Aufgaben. Das ist es auch, was Call of Duty 4 von den meisten linearen Shootern unterscheidet: Es gibt kein „Gehe von A nach B und schalte jeden Widerstand aus“, die Missionen sind allesamt unvorhersehbar in ihrem Verlauf. Hinzu kommen Spezialaufträge wie ein Attentat als Scharfschütze oder der Einsatz als Zielmarkierer an Bord eines Hubschraubers.
Abgesehen von dem neuen Setting und der neuen Story ist aber fast alles gleich geblieben: Auch Call of Duty 4 fühlt sich exakt so an wie seine Vorgänger. Gameplay und Steuerung sind nahezu identisch, sodass sich Fans der Serie sofort heimisch fühlen und ins Getümmel stürzen können. Leider sorgt diese fast bedingungslose Übernahme des alten Gerüsts auch für ein wenig Frust: Das Schadensmodell scheint nämlich ebenfalls unverändert seinen Weg ins Spiel gefunden zu haben. Soll heißen: Euer digitales Ich haucht sein Leben genauso schnell aus wie in den Vorgängern. Nur das damals die Gegner noch größtenteils mit langsamen Karabinern und ähnlichem geschossen haben, statt mit Hochgeschwindigkeits-Feuerwaffen. Dadurch sind vereinzelte Passagen einfach frustrierend und unfair geraten. Sobald ihr eine größere Ansammlung an Feinden entdeckt habt, seid ihr auch schon tot. Wenn euch dann auch noch ein enges Zeitlimit im Nacken sitzt, werdet ihr wahrscheinlich zwischendurch vor Wut in euer Pad beißen. Zum Glück sind diese Abschnitte sehr selten, die meiste Zeit ist das Spiel zwar hektisch und anspruchsvoll, aber niemals unfair. Gut verteilte Checkpoints lassen euch auch frustige Abschnitte schnell vergessen.
Eine besondere Erwähnung ist auch der Online-Modus wert: Hier haben die Entwickler wirklich alle Register gezogen und lassen selbst ehrwürdige Platzhirsche wie Battlefield 2 alt aussehen. Ähnlich wie dort gibt es auch bei Call of Duty 4 ein Rangsystem, das auf Erfahrungspunkten aufbaut: Habt ihr bestimmte Voraussetzungen erfüllt oder Aufgaben gemeistert, werdet ihr befördert. Das wiederum sorgt für neue Waffen und Fähigkeiten, die ihr auf dem Schlachtfeld einsetzen dürft. Der Clou: Neben den üblichen Verdächtigen wie „Soldat“ oder „Scharfschütze“ dürft ihr euch auch eigene Klassen basteln. Hier könnt ihr aus allen freigespielten Waffen und Fähigkeiten euren Lieblingssoldaten zusammenstellen. Mit Hilfe der verschiedenen Fertigkeiten kann man so länger sprinten, hat etwas mehr Lebensenergie, verursacht bei den Gegnern mehr Schaden und so weiter. Das gute Balancing sorgt dafür, dass keine unsterblichen Rambos entstehen: Auch als Neuling hat man so gute Chancen gegen Veteranen. In Verbindung mit dem hohen Tempo des Spiels und relativ kleinen Karten entsteht so der bis dato beste Multiplayer-Shooter für aktuelle Konsolen.
Damit das Spiel sich nicht nur zeitgemäß spielt, sondern auch so aussieht, haben sich die Entwickler noch mal hingesetzt und die Präsentation grundlegend überarbeitet. Herausgekommen ist ein sehr realistischer Look, der etwas an die Grau- und Brauntöne von S.T.A.L.K.E.R. erinnert. Generell gibt sich der Titel keine Blöße: Wiegendes Gras, hochaufgelöste Texturen und flackerndes Feuer sorgen zusätzlich für einen realitätsnahen Eindruck. Begleitet wird das Spektakel von wuchtigen Explosionen, stimmungsvollen Funksprüchen und hervorragenden, direktionalen Effekten im Surround-Heimkino.
Fazit
Man sollte meinen, nach drei Teilen hat man der Serie alles entlockt. Fehlanzeige: Call of Duty 4: Modern Warfare erfindet das Shooter-Rad zwar nicht neu, dafür aber sich selbst. Ein würdiger Nachfolger für eine altehrwürdige Serie und gleichzeitig ein erfrischender Neustart. Auch wenn die Kampagne ziemlich schnell vorbei ist: Allein der Online-Part sorgt noch viele Wochen für weitere Motivation. Und wer nicht gerne online spielt, startet die Kampagne halt noch mal. So einfach ist das. Simon Weiß