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Testbericht: Ghost Recon Advanced Warfighter 2

26. 03. 2007 | Kategorie: Testberichte

Tom Clancy, Urvater des amerikanischen „Hurra!“-Patriotismus, schickt Sie mal wieder auf Terroristenjagd. Als Anführer der mittlerweile legendären „Ghost“-Einheit verschlägt es Sie zum zweiten Mal ins sonnige Mexiko, wo Rebellentruppen ihre Finger an Atomsprengköpfe bekommen haben.

Wenn amerikanische Militärs eine Gewerkschaft hätten, Scott Mitchell sollte sich dringend über die langen Arbeitszeiten beschweren. Der Anführer der „Ghosts“, Ihr Alter Ego im Spiel, hat im ersten Teil von Ghost Recon: Advanced Warfighter gerade erst die Welt (oder zumindest Amerika) gerettet, da bekommt er schon die schlechte Nachricht über Funk: Der Fronturlaub ist gestrichen, mexikanische Rebellen haben sich in der kleinen Stadt Juarez breit gemacht und planen neues Unheil. Wie sich später herausstellt, haben die Bösewichte einige Atomsprengköpfe unter ihre Gewalt gebracht und wollen diese gegen die Vereinigten Staaten einsetzen. Natürlich können Sie als Scott Mitchell und Ihre Jungs dabei nicht tatenlos zusehen.

Screenshot: Advanced Warfighter 2Die Story des Spiels erstreckt sich über 72 Stunden, wobei jeder der drei Tage ein Kapitel repräsentiert und in Tag- und Nachteinsätze gegliedert ist. Wer braucht schon Schlaf… Im Laufe der Kampagne befehligt Scott sein Team in mehreren Häuserkämpfen und verfolgt die Terroristen sogar bis auf amerikanisches Territorium. Bei den Einsätzen haben die Entwickler zum Glück viel Wert auf Abwechslung gelegt: So müssen Sie in einigen Missionen allein und mit einem Scharfschützengewehr bewaffnet ein Gebiet sichern, damit Ihre Jungs mit dem Hubschrauber landen können. In anderen Einsätzen wiederum haben Sie die Befehlsgewalt über Panzer, Luftunterstützung und zwei Teams am Boden. In den actionreichen Hubschraubersequenzen wiederum klemmen Sie sich ans Bordgeschütz des Helis und pfeifen für ein paar Minuten auf Deckung und vorsichtige Vorgehensweise: Hier werden in bester Rambo-Manier gegnerische Konvois und Rebellencamps in ihre Einzelteile zerlegt. Insgesamt wurde beim zweiten Teil noch mehr auf eine kinoähnliche Inszenierung gesetzt. Die Geschichte wird straffer erzählt als im Vorgänger, was sich allerdings auch auf die Spieldauer auswirkt: Nach acht bis zehn Stunden sollte jeder Spieler den Abspann gesehen haben. Dafür hat Publisher Ubisoft darauf geachtet, das trockene Taktik-Image der Serie abzuschütteln. Die Steuerung ist zwar nahezu gleich geblieben, dennoch spielt sich der zweite Teil wesentlich schneller. Ungeahnte Storywendungen während der Missionen erfordern rasches Umdenken, und geskriptete Ereignisse wie plötzlich auftauchende, feindliche Verstärkung sorgen nicht nur einmal für nervöse Schweißausbrüche. Wie bereits erwähnt hat das Tempo deutlich zugelegt: So laufen sie nicht wie im Vorgänger üblich minutenlang durch eine totenstille Stadt, bevor Ihnen die ersten Gegner über den Weg laufen. Viel mehr stolpern Sie von einem Gefecht ins nächste, oft begleitet von orchestraler, dramatischer Musik. Scott und sein Team bewegen sich auch deutlich zügiger als im vergleichsweise trägen Vorgänger, was dem restlichen Spielstil zugute kommt.

Ansonsten hat sich am Gameplay nicht viel getan. Die Grundsteuerung ist die gleiche geblieben. In der Third-Person-Ansicht schauen Sie Scott über die Schulter und erleben den typischen Militäralltag: Laufen, zielen, schießen. Ein Klick auf den linken Stick entscheidet über aufrechten oder geduckten Gang, besonders vorsichtige Naturen dürfen auch auf dem Bauch liegend dem Feind entgegenrobben. Bewegt man sich auf eine Mauer oder ein sonstiges Hindernis zu, geht Scott automatisch dahinter in Deckung.

Screenshot: Advanced Warfighter 2Was die „Ghost Recon Advanced Warfighter“-Serie von den meisten anderen Titeln unterscheidet, ist die wichtige taktische Komponente. Diese bereichert das Spiel, ist aber zum Glück sehr intuitiv und nicht zu komplex ausgefallen. Sobald Feinde in Sichtweite geraten, werden sie auf dem HUD rot markiert und sogar mit einer Entfernungsangabe versehen. So können Sie frühzeitig entscheiden, ob Sie die gegnerischen Truppen lieber weitläufig umgehen, einkreisen oder frontal angreifen wollen. Mit Links und Rechts auf dem Digitalkreuz können Sie die verschiedenen Einheiten unter Ihrem Befehl auswählen, mit Oben und Unten wiederum können Sie meist zwei einfache Befehle geben: Entweder Sie schicken die ausgewählte Einheit dorthin, wo Ihr Fadenkreuz hinzeigt, oder Sie geben den Befehl, sich an Ihrer Position zu sammeln. Je nach Einheit haben Sie manchmal auch die Möglichkeit, kontextbezogene Befehle wie „Heile verletzten Soldaten“ zu geben. Befindet sich Ihr Fadenkreuz auf einem Gegner, geben Sie der Einheit einen Angriffsbefehl. Neu im zweiten Teil ist die Möglichkeit, durch die Augen der ausgewählten Einheit zu blicken und direkt aus dieser Ansicht heraus Befehle zu geben. Wollen Sie Ihr Team zum Beispiel zur Aufklärung vorschicken, funktioniert dies nun wesentlich flüssiger und übersichtlicher. Durch die minimalistische Belegung der Tasten gehen diese Aktionen erfreulich leicht von der Hand, selbst unter Druck können Sie stets intuitiv reagieren. Alle Befehle können Sie auch auf einer taktischen Übersichtskarte geben. Das ist zum Beispiel sinnvoll, wenn Sie eine Einheit zu einem Ort schicken möchten, der außerhalb Ihres direkten Sichtfeldes liegt. Eine erwähnenswerte neue Einheit ist der „Mule“, ein unbemanntes Versorgungsfahrzeug, das Sie auf dem Schlachtfeld befehligen können. Auf Wunsch versorgt es Sie so jederzeit mit Munition oder anderen Waffen. Andere, teils aus dem Vorgänger bekannte Einheiten sind zum Beispiel eine Aufklärungsdrohne (Vorsicht. Kann vom Gegner entdeckt und abgeschossen werden), bis zu zwei „Ghost“-Teams, Panzer oder Luftunterstützung. Zum Spielende hin wird die Auswahl dabei deutlich größer, was natürlich mehr strategisches Denken erfordert. Auch Multiplayer-Fans sollten einen Blick riskieren: An nur einer Konsole dürfen bis zu vier Spieler entweder gegeneinander antreten oder eigens designte Maps kooperativ angehen. Über System Link oder Xbox Live sind es sogar bis zu 16 Freizeitsoldaten, die mit- oder gegeneinander Mexiko unsicher machen. Wie im Offline-Multiplayer spielt man im Koop-Modus nicht die eigentliche Kampagne nach, sondern zieht in eigens entworfene Einsätze, die dem Multiplayer-Balancing besser entsprechen. Lags konnten wir bei den Tests nur selten ausmachen, und zusätzliche Downloads werden in Zukunft für die nötige Langzeitmotivation sorgen.

Screenshot: Advanced Warfighter 2Insgesamt ist die Atmosphäre des Spiels wirklich mitreißend, die spannende Geschichte wird nur von wenigen Kritikpunkten begleitet. Zum einen wäre da die Gegner-KI: Die Rebellentruppen haben zwar alle üblichen Tricks drauf, z.B. nach Verstärkung rufen oder sich verstecken, allerdings wird man es nur selten erleben, dass die Ghosts vom Gegner eingekreist werden. Wurden Sie einmal entdeckt, gibt es meist einfachen Stellungskampf, der natürlich fast immer zu Ihren Gunsten entschieden wird. Da auch „Ghost Recon Advanced Warfighter 2“ großen Wert auf Realismus legt, segnen Sie und Ihre Kameraden außerdem immer noch relativ schnell das Zeitliche. Natürlich geht man daher immer äußerst vorsichtig vor, was manchmal aber dem Spielspaß eher abträglich ist. Die vielen Einheiten nehmen einem auf Wunsch die meiste Arbeit ab: So kann man einige Missionen gewinnen, ohne dass Scott selbst auch nur einen Schuss abgegeben hat. Taktik-Fans mögen jetzt vor Freude schweißnasse Hände kriegen, allerdings erinnert so mancher Einsatz eher an eine Partie Schach als an einen Shooter. Wohlgemerkt, man kann die Arbeit der Unterstützung überlassen, muss es aber nicht. Der Standard-Schwierigkeitsgrad wurde zudem gesenkt, was Einsteiger eher freuen, Veteranen aber unterfordern dürfte.

Screenshot: Advanced Warfighter 2Auch technisch bietet Ghost Recon Advanced Warfighter 2 alles, was man von einem kinoreifen Actiontitel erwartet. Egal ob wabernde Rauchschwaden oder kleine Partikel, die nach Explosionen den Himmel verdunkeln: Die Grafik ist sehr eindrucksvoll gelungen und trägt viel zur dichten Atmosphäre bei. Die Entwickler haben das Flair des südamerikanischen Städtchens sehr stimmungsvoll eingefangen. Vor allem bei den Details und der Auflösung der Texturen wurde im Vergleich zum ersten Teil noch mal nachgebessert, weshalb Ghost Recon Advanced Warfighter 2 seinen schon gelungenen Vorgänger auch bei der Präsentation übertrumpft. Der Sound gefällt mit krachigen Explosionen und schönen direktionalen Effekten, die Sprachsamples wirken auch in der deutschen Übersetzung wieder sehr professionell. Insgesamt unterstreicht die Präsentation würdig die gelungene Story und sorgt für die nötigen „Wow!“-Effekte.

Fazit

Schon der Vorgänger wurde zu Recht mit Auszeichnungen überhäuft und sorgte dafür, dass die „Ghost Recon“-Serie ihren spröden Charme verlor und für ein breiteres Publikum zugänglich wurde. Ghost Recon Advanced Warfighter 2 reitet auf dieser Erfolgswelle und hat die Schwächen des Vorgängers größtenteils ausgebügelt. Vor allem der schnellere Spielablauf motiviert zum klassischen „Nur noch eine Mission“- Denken. Die neuen Einheiten und Waffen liefern Strategen mehr Möglichkeiten, eine Mission anzugehen und sorgen so für mehr Abwechslung. Fans des Vorgängers zögern sowieso nicht lange beim Kauf, aber auch Action-Fans sollten diesen superben Titel zum Anlass nehmen, sich auch mal an ein etwas taktischeres Spiel zu wagen: Sie könnten sonst etwas verpassen! Simon Weiß

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