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Testbericht: Prince of Persia - Die Vergessene Zeit

04. 06. 2010 | Kategorie: Testberichte

Seit der Sands of Time-Trilogie ist der persische Prinz wieder in aller Munde. Vor allem der titelgebende Auftakt zog nicht nur alte, sondern auch neue Fans in seinen Bann aus orientalisch-schöner Story, waghalsiger Akrobatik und durchdachten Rätseln. Prince of Persia – Die Vergessene Zeit erzählt nun die Trilogie weiter. Ob der Titel seinen hohen Erwartungen gerecht wird? Lest selbst.

Eine Anmerkung vorweg: Für unseren Test lag uns die Xbox 360-Version vor. Während sich die Unterschiede hinsichtlich der PS3-Fassung lediglich en detail in der Grafik tummeln, sieht es bei der Wii-Version schon anders aus. Diese ist ein eigenständiges Spiel mit anderer Story und Spieldesign.

Mittendrin und nicht dabei

Die Geschichte, angesiedelt in der Zeit zwischen Sands of Time und Warrior Within, dreht sich vorrangig um das Verhältnis des Prinzen zu seinem Bruder Malik. Ohne große Worte werdet ihr auch sofort in die Handlung geworfen, die mit der Belagerung eurer Stadt beginnt. Um die drohende Armee abzuwehren, befreit Malik eine mächtige, geheimnisvolle Armee aus Sand. Doch schon bald geraten die Dinge außer Kontrolle und es liegt an euch, nicht nur euren Bruder, sondern auch die Welt zu retten.

Prince of Persia Forgotten SandsEigentlich bietet das Grundgerüst der Geschichte ausreichend Substanz, um eine emotionsgeladene und packende Story zu inszenieren. Eigentlich. Denn unterm Strich bleibt die erzählerische Qualität eine herbe Enttäuschung. Bereits der Beginn ohne Einleitung ebnet den Weg für diese im Endeffekt belanglose Erzählung. Dies liegt vor allem an den fehlenden Emotionen. Da ihr einfach mitten ins Geschehen geschmissen werdet, bleibt die Beziehung zu eurem Bruder eiskalt. Er braucht eure Hilfe, doch ein wirklicher Drang, ihm zu helfen, entsteht nicht. Eher fragt man sich, warum er als Heerführer denn nicht alleine dieses und jenes Tor öffnen oder schließen kann. Und so klettert und springt ihr, um dem fremden Mann, der eigentlich eine zutiefst mit euch verbundene Figur sein soll, zu helfen. Die Geschichte plätschert die gesamte Spielzeit über den Bildschirm, was leider zu einer ständigen Distanz zu dem wird, was ihr eigentlich retten müsst. Retten wollt. Und so bleiben auch wichtige Ereignisse vollkommen steril und farblos, was schade ist, denn Potenzial war gegeben.

Wer baut sowas?

Den nächsten Fauxpas lieferten sich die Entwickler in puncto Leveldesign. Zwar gibt es große Räume und auch Außenareale, die ausreichend Platz für akrobatische Klettereinlagen bieten, doch sind sie nur selten stimmig: die Schauplätze wirken sehr konstruiert. Es ist einfach unlogisch, wenn sich zufällig an Wand A Steine zum Klettern befinden, die wiederum zu Riss B in der Wand führen, welche schließlich an Sprungposition C enden, damit ich an Säule D springen kann, um an Schalter E zu kommen, um ein einfaches Tor zu schließen. Was haben die Einwohner all die Jahre ohne einen solch fitten Prinzen gemacht?

Die Abschnitte wirken nicht wie eine große Stadtanlage, sondern wie Kletterparcours, die nach und nach abgeklappert werden.

Springen – Metzeln – Springen – Metzeln

Prince of Persia Forgotten SandsDoch die Geschicklichkeitseinlagen haben anfangs trotzdem ihren Reiz. Wenn man sich von einer Stange zur anderen schwingt und in schwindelerregende Höhen klettert, kommt schon ein wenig das Flair von Sands of Time hoch. Dies ist aber nur ein temporäres Gefühl, denn schon bald stellt sich öde Monotonie ein. Im Grunde folgt das Spiel dem immer selben Schema. Erst will ein großer Raum, der hin und wieder mit einfachen Kombinationsrätseln versehen ist, durchklettert werden, dann bekommt ihr es mit einer Gruppe Feinden zu tun. Gegner, deren Hirn offenbar vom Sand weggespült wurde. Denn was intensiv gewollt ist, ist lahm geworden. Ihr drescht auf Wesen ein, denen jeglicher Hauch von künstlicher Intelligenz fehlt. Bis sie es mal schaffen, zu schlagen, habt ihr schon wieder drei oder vier ihrer Freund ins virtuelle Jenseits befördert. Auch größere Gegner folgen einem immer gleichen Angriffsmuster, das jegliche taktische Tiefe vermissen lässt. Sie schreien und stampfen, getreu dem Motto: „Große Klappe, nichts dahinter.“

Regelrecht lächerlich wird es, wenn ihr beispielsweise auf den Ifrit, einem mächtigen Dschinn, trefft. Ursprünglich sollte er wohl für einen heißen Bosskampf herhalten. Herausgekommen ist ein lahmer Feuerteufel, der wenig Gefahr versprüht.

Die Sache mit den Scriptevents und magischen Kräften

Prince of Persia Forgotten SandsAllerspätestens der Ifrit ist es auch, der eine weitere Schwäche auf glasklare Weise vorführt: die gescripteten Ereignisse. Oft bilden sie eine Symbiose mit dem Leveldesign. So fliegt zu Beginn etwa rein zufällig eine brennender Stein vor euch in eine Wand, wodurch ihr diese zum Klettern verwenden könnt. Das mag ja im Grunde nicht verkehrt sein, funktioniert aber bestenfalls ein- oder zweimal, bevor sich der Effekt abnutzt. Leider bekommt ihr es immer wieder mit solchen Momenten zu tun, wodurch das ohnehin schon unnatürliche Leveldesign noch zweifelhafter wird. Und wenn der Ifrit euch, während ihr vor ihm flieht, mit Feuerbällen attackiert, dies aber nur an genau bestimmten Stellen tut und er ansonsten nur ungefährlich auf euch schaut, ist das nicht nur ein weiterer Patzer im Leveldesign, sondern auch eine Sünde, denn so geht jegliches dramaturgisches Potenzial verloren. Dass es auch anders geht, zeigen vereinzelte Situationen, in denen ihr unter Zeitdruck eine gewisse Strecke zurücklegen müsst.

Für eine gewisse Kurzweil sorgen die magischen Kräfte, die ihr nach und nach von einer Verbündeten bekommt. Allen voran natürlich die Möglichkeit, die Zeit zurückzuspulen. Besonders gut hat uns jedoch die Möglichkeit gefallen, Wasser gefrieren zu lassen. Zwar wirken die Wasservorkommen auch sehr konstruiert, doch entstehen so ein wenig Abwechslung und nette Geschicklichkeitspassagen. Im Laufe des Spiels werdet ihr noch weitere, nützliche Mächte freispielen. Wer sich nicht nur auf diese verlassen will, kann sich auch mit neuen Upgrades versorgen. Hierfür müsst ihr Erfahrungspunkte sammeln, die ihr vor allem durchs Kämpfen erntet. Mit euren gesammelten Upgradepunkten könnt ihr euch dann immer wieder weiter aufrüsten oder bereits erworbene Fertigkeiten, wie etwa den Eisschlag, weiter verbessern.

Technisch rückständig

Prince of Persia Forgotten Sands2003 verzückte Sands of Time mit einer märchenhaft orientalischen Kulisse, die wie aus tausend und einer Nacht schien. Davon ist anno 2010 nicht allzu viel übrig geblieben. Durch den eher düsteren Stil verliert der Titel zum einen das Traumhafte und zum anderen das Individuelle. Ein Actiontitel unter vielen, dem man seine brillanten Wurzeln nur selten ansieht. Es gibt auch einige hübsche Momente, etwa wenn ihr das Wasser gefrieren lasst oder auch diverse Lichtspiele, doch all das wirkt wie die letzten Überbleibsel besserer Tage. Das Szenario wird ohne jegliche Details dargestellt, wodurch kein Leben entsteht. Es ist ein Wandern in tristen Schauplätzen.

Nicht ganz so schlimm trifft es den Soundtrack, der durchaus einige nette Passagen zu bieten hat. Zwar erreicht er niemals die Brillanz von Scores a la Metal Gear Solid oder anderen Hochkarätern, doch nett anzuhören ist er allemal. Was man von der desaströsen Synchronisation nicht sagen kann. Emotionslos, hölzern, unprofessionell. Das ist das traurige Fazit der sprachlichen Untermalung. Damit wird den (Ingame-)Szenen der letzte Hauch Gefühl genommen. Schon unfreiwillig komisch spricht etwa eure engste Verbündete: hier wird Drama zur ungewollten Komödie. Schade.

Uplay: Das Boniportal

Ein nettes Goodie ist das Ubisoft-eigene Uplay-System. Mit diesem spielt ihr Ingame immer mal wieder Punkte frei, die ihr für diverse Boni einlösen könnt. Im Falle von Prince of Persia sind dies beispielsweise ein neues Kostüm, Themen, Upgradepunkte oder Herausforderungen für den Challenge-Modus. Insgesamt eine nette Dreingabe, die den ein oder anderen unter euch sicherlich zum Weiterspielen animieren dürfte.

Fazit:

2003 verzauberte Prince of Persia – Sands of Time und bot den Auftakt einer insgesamt sehr gelungenen Trilogie. Nun, anno 2010, ist mit der Fortsetzung in Form von Prince of Persia – Die Vergessene Zeit nur noch wenig vom Zauber übrig geblieben. Eine lieblos erzählte Story trifft auf spielerische Monotonie. Zwar lockern diverse Fähigkeiten und Kräfte das Spielgeschehen auf. Angesichts dramaturgischer und spielerischer Schnitzer wiegen sie aber einfach zu wenig, um das Spiel in guter Erinnerung zu behalten. Hinzu gesellt sich Technik von gestern, die Schauplätze öde und trist darstellt. Vom märchenhaften Glanz ist nur ganz wenig geblieben. Emotionslos, lieblos, seelenlos. Schade, dass der Prinz so in die virtuellen Welten zurückkehrt. Da ist das Geld in den kürzlich gestarteten Film Prince of Persia – Der Sand der Zeit erheblich besser investiert. Alexander Börste

Wertung: 4/10

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