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Testbericht: Assassin's Creed Brotherhood

26. 11. 2010 | Kategorie: Testberichte

Vor ziemlich exakt einem Jahr bewies Ubisoft mit Assassin’s Creed II, dass ihnen nicht nur viel an der Etablierung des Meuchelmörderfranchises liegt, sondern auch, dass sie sich die Kritik zum Serieneinstieg zu Herzen genommen haben – Teil zwei war besser, durchdachter, größer, atmosphärischer. Brotherhood ist nun die konsequente Fortsetzung der Geschichte von Ezio Auditore da Firenze, garniert mit einem innovativen Multiplayer-Modus. Kein offizieller dritter Teil, kein Addon. Oder doch?

Screenshot: Assassin's Creed: BrotherhoodJein, doch dazu später mehr. Assassin’s Creed Brotherhood schließt direkt an seinen Vorgänger an, an Ezios Begegnung mit Minerva und ihrer an Desmond Miles gerichteten Warnung vor zukünftigen Ereignissen. Desmond, der in unserer Gegenwart per Animus-Alkoven die Kontrolle über seinen Vorfahren Ezio Auditore erlangt, ist derweil weiter auf der Flucht – zusammen mit seinen drei Assassinen-Kollegen spürt er die Auditore-Villa in Italien auf, um sich vor der Templer-Organisation Abstergo zu verstecken und nach Hinweisen zum Verbleib des Edensplitters, einem mächtigen Artefakt, zu suchen. Dazu bedarf es allerdings der Hilfe seines italienischen Ahnen, auf die er praktischerweise durch die in seiner DNA verankerten Erinnerung und dem Animus zurück greifen kann.

Im Jahr 1500 läuft indes nichts nach Plan. Ezio kehrt zwar nach seiner Konfrontation mit dem Papst Rodrigo Borgia unbeschadet in die Villa seines Onkels Mario zurück, doch wird diese alsbald von dessen Sohn, Cesare Borgia, und seiner Armee aufgesucht und dem Erdboden gleich gemacht. Doch es kommt noch schlimmer: Auch Mario Auditore muss im Gefecht sein Leben lassen und der erst kürzlich geborgene Edenapfel wandert zurück in den Besitz der Borgia. Mehrere Sachverhalte deuten also darauf hin, dass es nicht die klügste Entscheidung war, das Leben des amtierenden Papstes zu verschonen, und so schmiedet Ezio mithilfe von Niccolò Machiavelli und anderen Assassinen-Anhängern den Plan für ein erneutes Attentat auf die mächtige Borgia-Familie. Diesmal in Rom.

Screenshot: Assassin's Creed: BrotherhoodNun, so uninspiriert die Handlung rund um Ezio auch klingt, so wenig einfallsreich ist sie leider auch. Denn mal ehrlich, erst verschonen wir Rodrigo, dann stellt es sich als großer Aufhänger für eine Fortsetzung als Fehlentscheidung heraus – kommt einem da nicht gleich der Gedanke einer Schnellabfertigung? Eines ach so Hollywood-typischen Sequels? Irgendwie schon. Auch der Charakter Ezio Auditore, in Assassin’s Creed II noch als absolut positiver und interessanter Gegenpart zu Vorgänger Altair zu verbuchen, bleibt hier relativ uninteressant und facettenlos.

Nichtsdestotrotz kommt es zur ein oder anderen Wendung in der Geschichte, die insgesamt betrachtet allerdings eher als nettes Beiwerk bezeichnet werden muss. Denn sinkt man erst einmal in das Rom der Renaissance ein, lassen sich die Ausmaße von Assassin’s Creed Brotherhood nur erahnen. Und doch hat mich der Einstieg obschon der guten Inszenierung zunächst ähnlich betrübt und eher gelangweilt wie Teil 1 vor drei Jahren, bedarf es hier abermals einem wirklich hohen Maß an Geduld, ehe man die volle Kontrolle erlangt. Zu linear, zu übereilt und zu vollgepflastert mit ellenlangen Ladezeiten gestaltet sich der Anfang; wird eine kurze Mission ausgeführt, folgt eine Zwischensequenz, folgt eine Ladezeit, folgt ein kurzer Weg zur nächsten Mission, folgt eine Zwischensequenz…

Und dann: Rom. Kennt man ja schon aus dem kurzen Schlauchlevel in Teil 2, bestenfalls natürlich in – na – echt. Hat man Florenz und Venedig, sowie die kleinen toskanischen Provinzdörfer noch im Sinn, ist Rom weniger urban als erwartet, mehr weitläufig als kompakt. Dass Rom, diesmal als einzige frei erkundbare Gegend, groß werden musste war jedem klar, aber geschuldet der Tatsache, dass beim ersten Betreten kein handfestes Identifikationsmerkmal der historischen Stadt ins Auge springt, ist Ernüchterung zunächst ein recht dominanter Eindruck. Das ändert sich – und wie gerne würde ich an dieser Stelle behaupten können: schnell – im Laufe der folgenden Spielstunden zum absoluten Gegenteil. Rom ist nicht nur gigantisch groß, sondern hat auch mehr zu bieten als die Vorgänger.

Screenshot: Assassin's Creed: BrotherhoodNatürlich hat sich am Assassin’s Creed-typischen Spielprinzip selbst nicht sonderlich viel geändert, doch erfuhr es ja bereits im letztjährigen Ableger einige recht sinnvolle Bereicherungen. Ähnlich verhält es sich mit Brotherhood – statt Alles neu zu machen, wird Altes behalten und mit Neuem ergänzt. Dazu zählen nicht nur die, man muss es ja zugeben, immer noch grandiosen Animationen und stets für einen Aufschrei sorgende Finishing-Moves, sondern auch zahlreichere Nebenmissionen und die Überarbeitung des Fraktionssystems. Denn einer gewissen unbestreitbaren Logik folgend hieße Brotherhood nicht Brotherhood, wenn es nicht irgendetwas mit Bruderschaft zu tun hätte. So gibt es neben den Söldner-, Diebes- und Kurtisanen-Gilden aus Assassin‘s Creed II – die nun auch alle mit eigenen Gebäuden und Nebenmissionen aufwarten – eine eigene Assassinen-Gilde, für die Ezio höchstpersönlich als PR-Manager auserkoren wurde.

Bürgern in Not – ausgenommen den grässlichen Barden natürlich – zu helfen ist die Aufgabe eines jeden respektablen Rebellen gegen die Staatsgewalt. In Rom gibt es von diesen Hilfebedürftigen jede Menge, die euch, nachdem ihr ihnen die sie attackierende Wache vom Leib geschafft habt, treue Dienste zu leisten schwören. Von nun an könnt ihr mittels vielerorts vorhandenen Taubenschlägen oder Assassinentürmen Kontakt mit ihnen aufnehmen und per Micro-Management-System dafür sorgen, dass sie an Erfahrung und Ausstattung gewinnen. Dies geschieht, indem sie in ganz Europa auf Dienstreise – heißt: Attentate – entsendet werden, um nach erfolgreich abgeschlossener Arbeit eben noch besser an Ezios Seite kämpfen können. Vorausgesetzt der diesbezügliche Balken im Interface ist zur Gänze gefüllt, werden sie ganz einfach per Tastendruck herangepfiffen. Schneller als die Borgia-Polizei erlaubt sind denn auch die Helfer sofort zur Stelle und holzen eure Widersacher schonungslos um. Assassinenstyle.

Screenshot: Assassin's Creed: BrotherhoodSind alle Gegner des soeben geführten Gefechts am Boden, verschwinden die Kollegen Attentäter auch mir nichts dir nichts wieder und warten auf die nächste Exkursion oder den nächsten Antritts-Appell. Verdammt praktisch, extrem cool und doch macht es Assassin’s Creed Brotherhood damit viel zu leicht. Wie aus dem Vorgänger bereits bekannt, werden Kämpfe effektiv durch das punktgenaue Entgegnen der gegnerischen Angriffe geführt – und so toll diese Mechanik auch sein mag, war sie immer schon zu einfach. Kombiniere diese kaum erneuerte Technik mit mächtigen NPCs auf Ezios Seite, und schon hat man kein Problem mehr. Außer der Kamera, die besonders in den zahlreichen Scharmützeln für wirklich nachteilhafte Perspektiven und damit für Frust sorgen kann.

Ein fast schon klassisches Element der Serie ist das Erklimmen von Türmen, um weitere Teile der Karte aufzudecken. So sehr man sich im letzten Jahr scheinbar noch dagegen gewehrt hat, dieses Prinzip einer Überarbeitung zu unterziehen, so erstaunlich ist doch, dass man es nun tatsächlich gewagt hat. Zwar gibt es auch jetzt noch eine Hand voll gewöhnlich herumstehender Türme die bestiegen werden können, doch wird die Mehrzahl der Aussichtsgelegenheiten mittlerweile von Borgia-Truppen bewacht. Um eine solche Plattform zu erreichen, gilt es den für diese Umgebung verantwortlichen Heeresführer aus der Welt zu schaffen – anschließend wird der Turm in Brand gesetzt und siehe da: nicht nur machen sich die gegnerischen Truppen aus dem Staub, sie lassen auch gleich noch diverse renovierungsbedürftige Gebäude zurück.

Banken, Schmiede, Apotheken oder Fraktionsgebäude können nach Beseitigung des Borgia-Einflusses gegen Zahlung erneuert werden, um deren Vorteile von nun an in Anspruch nehmen zu können. Es scheint als wollte man sich von diesem damals durchaus sinnvollen, allerdings auch auf eine kleine Gegend begrenztes System aus Assassin’s Creed II nicht trennen, denn wirklich tauglich ist es für die große Stadt nicht. Zu verbuchen unter „Nice-to-have, denn durch die stets vorherrschende Liquidität ist es tatsächlich nicht nötig, zweimal über den Kauf eines Ladens nachzudenken. Was wiederum zu einem anderen Thema führt: den Gegenständen, die Ezio bereit stehen. Natürlich wurde das Equipment um Rauchbomben, die schon seit eh und je vermisste Armbrust, sowie um Zweihandwaffen erweitert, doch kann man andererseits mittlerweile auch 15 Heiltränke, 15 Wurfmesser und mehr als 20 Pfeile mit sich herum schleppen. Mal abgesehen von dem Bild, das ein normal sterblicher Mensch bei der vollen Bestückung abgeben würde; wirklich schwer wird es dem Spieler dadurch wiederum nicht gemacht.

Doch auch dieser Umstand ist nur ein Indiz für die schiere Masse an Dingen, die der Spieler geboten bekommt. Denn zusätzlich zu den bereits erwähnten Borgia-Missionen zur Turm-Eroberung, sind pro Gilde mehrere Quests angelegt, Rekrutierungsaufgaben für eigene Assassinen, obligatorisch vorhandene und spontan auftretende Diebesfestnahmen, Templer-Nebenquests, neue Glyphenrätsel rund um Subjekt 16 sowie Katakomben-Klettereien der Romulus-Sekte. Vergessen habe ich die Missionen für Leonardo DaVinci, die einfallsreichen Flashback-Quests von Ezios Liebesgespielin Cristina und bestimmte Sammelaufträge, die ihr von Händlern erhalten könnt. Dazu kommen die einzusammelnden Federn, Fahnen und Trophäen/Achievments. Überzeugt?

Screenshot: Assassin's Creed: BrotherhoodNun, nicht ohne Grund hieß es vor einiger Zeit, 400 bis 500 Ubisoft-Mitarbeiter arbeiteten nur an Assassin’s Creed Brotherhood. Denn auch ein Multiplayer-Modus sollte es bekanntermaßen in das Spiel schaffen, welcher, zugegebenermaßen nur relativ sporadisch angetestet wurde. In den vier verfügbaren Spielmodi ist es alleine oder zu mehreren auf unterschiedliche Art nötig, vor den Gegenspielern unerkannt zu bleiben – heißt, sich unter der Masse an NPCs unauffällig zu bewegen – und im richtigen Moment zuzuschlagen. Jeder Spieler hat dabei ein Ziel und einen Verfolger; ist das Ziel erst einmal in Reichweite, wird es per einfachen Tastendruck eliminiert – Kämpfe wie im Einzelspielermodus sind also Fehlanzeige. Gestützt wird der Mehrspieler-Modus durch das mittlerweile konsolentypische Levelsystem, welches den Spielern bei erfolgreichen Attentaten immer neue Erfolge attestiert und neue, nur kurzzeitig nutzbare, Gegenstände freischaltet.

Kommen wir abschließend zur technischen Seite von Assassin’s Creed Brotherhood. Schon letztes Jahr bemängelte ich die Performance, das Tearing, sowie die Clippingfehler. Letztere sind zu einem nicht mehr angemessenen Grad angestiegen – Zeitmangel steht hier groß auf jeder hässlich überlappenden Textur. Schon fast frech ist die Sequenz, in der Cristina Vespucci im aufgebauschten Kleid auf einem Pferd gen Forlí reitet – bitte, unbedingt ansehen! Wie Ubisoft vor einiger Zeit bekannt gab, ist Brotherhood das erste Assassin’s Creed, welches als PlayStation 3 Version in Punkto Performance der Xbox 360 in nichts nach steht – arme Xboxler, bei Teil 2 waren nur wir PS3-Spieler die Verunglimpften! Doch nicht nur grafisch gibt’s zu meckern, die Steuerung ist nach wie vor schwammig und in entscheidenden Sequenzen zu ungenau, die Kamera macht was sie möchte und KI- sowie andere Bugs deuten auf einen zu fixen Releasetermin hin. Nichts anzumerken – außer Großartig – ist wieder die tonale Untermalung. Wenn Jesper Kyd für die angekündigte Assassin’s Creed Verfilmung nicht für den Soundtrack verantwortlich sein sollte, drohe ich hiermit die Preisgabe aller Abstergo-Geheimnisse auf Facebook an!

Fazit:

Vor einem Jahr bewertete ich Assassin’s Creed II schweren Herzens mit 8 Punkten, mit der Überzeugung, dass für Teil 3 noch Luft nach oben bleiben müsse. Nun, Assassin’s Creed Brotherhood ist genau genommen nicht der dritte Teil der Reihe – und so bleiben hier große Neuerungen leider aus. Das Fraktionssystem ist cool, macht das Spiel aber auch zu einfach, die renovierbaren Gebäude sind eine nette Sache, bei intensiverer Betrachtung aber relativ sinnfrei, die Handlung ist bei weitem nicht so interessant wie beim Vorgänger und Ezio wirkt beinahe so facettenlos wie Altair. Die technische Umsetzung – Grafik, Steuerung und Performance – weist einige unverzeihliche Macken auf und lässt Brotherhood, wie in der Eingangsfrage angedeutet, durchaus wie ein Addon aussehen. Auf der Gegenseite haben wir den enormen Umfang und die tolle Atmosphäre, sowie den Multiplayer-Teil, die den Vollpreis tatsächlich rechtfertigen. Stillstand auf hohem Niveau. Und bitte Ubisoft, lasst euch für Assassin’s Creed III wieder ein bisschen Zeit, denn nach dem Quantensprung von Teil eins zu Teil zwei erwarten wir Fans als logische Konsequenz einen absolut perfekten Killertitel! Tobias Czullay

Wertung: 8/10

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