Testbericht: The Saboteur
Seit etwas mehr als zehn Jahren ist die Kulisse Zweiter Weltkrieg fester Bestandteil in der Videospiellandschaft, dabei gefühlt exklusiv dem Shooter-Genre vorbehalten. Mit dem Open World Action-Adventure The Saboteur (PC, PS3, Xbox360) wagt es nun der australische Entwickler Pandemic, Fuß in eben jenes tragisches Kapitel der Menschheitsgeschichte zu setzen – und damit einen längst übersättigten Markt zu bedienen.
Wir schreiben das Jahr 1940. Frankreich wurde eben von der deutschen Wehrmacht überrannt und steht fortan unter der Fuchtel eines gewissen Adolf Hitler. Auch in Paris, der Stadt der Liebe, tummeln sich deutsche Soldaten und halten dessen Bevölkerung stets in Atem. Doch: Im Untergrund lauert bereits die Résistance, schmiedet Pläne zur Vertreibung der unerwünschten Besatzungsmacht und rekrutiert fleißig neue Anhänger. Ein solcher ist der irische Rennwagenfahrer und Mechaniker Sean Devlin, der fortan Aufträge für den französischen Widerstand ausführt. Allerdings nicht ganz uneigennützig wie sich herausstellt, denn jüngst wurde sein bester Freund Jules von einem Soldaten namens Kurt Dierker blutrünstig ermordet. Und so treibt Sean nicht nur der Hass auf die Krauts an, sondern auch der unablässige Wunsch nach Vergeltung.
Für knapp 200 Mitarbeiter hieß es mit Fertigstellung von The Saboteur Abschied zu nehmen. Nicht nur von ihrem „Baby“, sondern auch von Pandemic Studios. Die erst 2007 von Electronic Arts aufgekaufte Spieleschmiede wurde Opfer der diesjährigen Sparmaßnahmen des Riesenkonzerns und ist seit Ende November geschlossen. Selbstredend kommt die Frage auf, ob da nicht etwas schief gelaufen ist bei der Entwicklung – hat der Publisher zu viel Druck gemacht oder waren es Pandemic, die ihr Werk einfach nicht auf die Beine bekommen haben? Aber vor allem: Ist The Saboteur fertig geworden? Jein.
Open World ist in. GTA, Assassin’s Creed, FarCry 2, inFamous, Prototype und Konsorten setzen allesamt auf eine frei begeh- und erforschbare Welten – mal mehr, mal weniger überzeugend. Auch The Saboteur bietet eine komplett offene Stadt, sowie zahlreiche Dörfer in der umliegenden Landregion. Im Gegensatz zu ausufernd großen Gebieten, bleibt Paris als Kulisse jedoch recht überschaubar – dabei allerdings auch nicht wirklich den Forscherdrang anregend oder einprägsam. Wie schon in GTA oder Mafia kann man sich diverser fahrbarer Untersätze bedienen, um von A nach B zu gelangen. Ob legal oder nicht bleibt dem Spieler überlassen. Obwohl zwischen den massig vorhandenen deutschen Außenposten auch französische Bürger die Straßen entlang schlendern, bleibt Paris merkwürdig leer und arg steril.
Und dennoch, einzigartig bleibt in The Saboteur das Gefühl, Einfluss auf die Umgebung zu haben. Die Bedrohung durch die Nazis wird nicht nur durch deren reine Anwesenheit erzeugt, sondern auch durch grafische Mittel. Dunkle, verheißungsvolle Wolken, Regen und der vorherrschende Schwarz-Weiß-Filter in den besetzten Gebieten signalisieren dem Spieler stets, dass er sich mit Bedacht fortbewegen sollte. Bestimmte Missionen erlauben es nun, diese Teile der Welt von den Besetzern zu befreien. Resultat dessen: Die Welt erlangt ihre Farbe zurück und wird wieder vom hellen Tageslicht berührt – Hoffnung und Optimismus breiten sich so spürbar aus.
Seine Aufträge erhält Sean zumeist von Anhängern der Résistance, entweder durch ein persönliches Gespräch oder per Briefbote. Natürlich muss man nicht nur einer linearen Haupthandlung folgen, sondern kann auch zahlreiche Nebenmissionen erfüllen, die im Endeffekt aber meist auf das Selbe hinauslaufen – fahren, töten, untertauchen. Zudem ist es möglich, die vielerorts vorhandenen Außenposten der Deutschen zu zerstören, die mit Antennen, Panzern oder gar Raketen immer ein zentrales Ziel aufweisen. Hierfür bekommt Sean sein „Schmuggelgut“, für das er bei einem Schwarzmarkthändler Waffen, Upgrades und Munition kaufen, oder beim Mechaniker Fahrzeuge reparieren lassen kann. Auch Charakter-Aufwertungen, sogenannte „Vergünstigungen“, können durch gewisse Aktionen und Missionen erreicht werden. Zerstört man beispielsweise fünf Objekte mit Dynamit, erhält man die Fähigkeit mehr Sprengstoff mitzuführen.
Wie es dann auch in offenen Welten so üblich ist, lässt sich die Welt mehr oder weniger frei erkunden – lediglich die errichteten Sperrzonen sollte man tunlichst meiden, möchte man sich nicht unter der Erde wiederfinden. Die Erforschung der Welt kann, wie bereits erwähnt, mittels Auto geschehen, oder eben zu Fuß. Als ausgewachsener und trinkfester Ire ist Sean allerdings nicht nur in der Lage geradeaus zu laufen, sondern auch an Hauswänden entlang zu kraxeln. Klingt verdächtig nach Assassin’s Creed, spielt sich auch fast so. Natürlich sind die Animationen generell nicht der erhoffte Brüller, und auch die Motivation dreistöckige Häuser zu erklimmen bleibt meist aus, denn: wofür? Erstens ist Sean gegenüber Altair oder Ezio ein absoluter Phlegmatiker, zweitens fällt man den deutschen Patrouillen sofort auf, sobald man einen Fuß zu hoch hebt.
Sind wir ehrlich: die Künstliche Intelligenz in The Saboteur ist lächerlich. Zwar wird bereits im Tutorial darauf hingewiesen, dass deutsche Soldaten es nicht gerne sehen, wenn man an einer Hauswand herumhängt, schleicht, Leute überfährt oder sich gewissen Sperrzonen zu auffällig nähert. So weit, so überzeugend. Dumm nur, dass wir neben einem Deutschen stehend die Schleichtaste nur minimal antippen müssen, um Aufmerksamkeit auf uns zu ziehen. Auch Freudensprünge scheinen so unheilverkündend zu sein, dass Soldaten mal schnell ihren Wachposten verlassen und mit einem großen Fragezeichen über ihrem Kopf nach dem Ursprung der Anomalität suchen – wohlgemerkt meist in der falschen Richtung, denn wirklich auf Sean reagieren tun sie dabei weniger. Wie auch schon in Assassin’s Creed kann man sich, sobald das Auffälligkeitsbarometer das zulässige Maß übersteigt, vor Verfolgern verstecken. Dabei stehen eine Vielzahl an Dachluken zur Auswahl, man kann man sich im Bordell amüsieren oder einfach mal die nette Dame auf der anderen Straßenseite beherzt zur Brust nehmen und kräftig abknutschen. In jedem Fall wird man die Soldaten auf der Stelle los.
Möchte man sich eher lautlos fortbewegen, muss man in das Gewand des Feindes schlüpfen. Dazu, es muss ja stilecht sein, darf jedoch kein Spritzer Blut auf der Uniform zu sehen sein – sprich: Überwältigung von hinten mit einem gekonnten Handgriff Richtung Genick. Obwohl man nun aussieht wie ein Deutscher, fällt man dennoch bei anderen Soldaten auf. Bewegt man sich zu undeutsch – also zu schnell – oder betritt eine Sperrzone, sind Hopfen und Malz verloren und die Tarnung ist dahin. An sich ist die Idee ziemlich nett, doch leider eher schluderig umgesetzt worden. Denn selbst wenn Sean den Kommentar von sich gibt, dass man sich an dieser Stelle besser unauffällig fortbewegt – was nun mal nur in deutscher Uniform möglich ist – ist ein Konflikt am Ziel ausnahmslos unausweichlich. Denn natürlich ist immer genau dort ein Sperrgebiet, sodass man seine Tarnung verliert und um sein Überleben bangen muss. So verliert das leise Vorgehen leider seinen Sinn und die Missionen damit an Reiz, Abwechslung und Spannung. Das Spiel signalisiert dem Spieler: egal wie sehr du schleichst, am Ende kommt es eh zu einem Schusswechsel. Schade, denn irgendwie möchte man ja auch stilvoll schleichen und eine Situation ohne Konflikt überstehen.
Eben das ist leider auch der Punkt, an dem man sich fragen muss: was hat The Saboteur mit Sabotage zu tun? Denn im Grunde genommen spielt man einen rohen, rachsüchtigen Iren, der zwar schleichen kann, sich aber so unbeholfen benimmt, dass er jedesmal entdeckt wird bevor er seinen Auftrag abschließen kann. Eine Basis unbemerkt infiltrieren, den Sprengsatz anbringen und flugs und ohne eine Kugel zu verschwenden davon kommen ist hier nicht im Programm. Stattdessen schlägt man sich mit einem unausgegorenen Duck-and-Cover-System herum und flieht in schier unzerstörbaren Fahrzeugen vor den standardmäßig anwesenden Verfolgern. Recht sinnvoll in Scharmützeln ist die Möglichkeit, Verstärkung von der Résistance oder ein Fahrzeug anzufordern, um schnell entkommen zu können.
Auch von technischer Seite aus leistet sich The Saboteur einige Macken. Die Grafik wäre vor zwei Jahren tatsächlich außerordentlich gut gewesen, doch anno 2009 liegen die Standards höher. Und so muss man auch hier feststellen, dass zwar Sean eine gute Figur macht, die meisten anderen Charaktere hingegen eher detailarm wirken. Die Animationen erfüllen ihre Aufgabe, die Fahrphysik fühlt sich in jedem Auto gleich an und die KI ist, wie erwähnt, meist unterirdisch. Und doch: der Sin City ähnliche Farbfilter ist absolute Klasse – am liebsten möchte man die Stadtteile genau so belassen – und seine Wirkung am Spieler ist ein großer Pluspunkt, der vor allem die Atmosphäre bestärkt und den Fortschritt deutlich machen kann. Nicht wirklich gut hingegen ist die Synchronisierung, die durch amateurhafte Sprecher, absurde Dialoge und klischeebeladene, einfallslose Einzeiler viel von der Stimmung ruiniert.
Fazit
The Saboteur hätte ein richtig gutes Spiel werden können, aber auch ein richtig schlechtes. Die Anleihen an Assassin’s Creed, GTA IV und Mafia sind so eindeutig, dass wohl kaum von einer Innovation im Genre gesprochen werden kann. Die Grafik kann schön sein und weiß vor allem mit ihrem Farbfilter die Augen der Spieler zu öffnen, während die Künstliche Intelligenz der Deutschen jene wieder aus Fremdscham zum schließen veranlasst. Obwohl das Setting Zweiter Weltkrieg mittlerweile so abgedroschen ist wie Chuck Norris Witze, kann man hier mit einer interessanten Aufmachung punkten. Die Story findet günstigerweise aus einem etwas anderen Blickwinkel als dem streng patriotisch-amerikanischen statt, auch wenn die derzeit obligatorische Rachegeschichte nicht unbedingt hätte sein müssen. Leider sieht man an so ziemlich allen Ecken und Enden, dass die Zeit zum Ende nicht mehr gereicht hat, eine wirklich runde Sache ist The Saboteur nämlich nicht. Trotzdem: Für alle die es bis Mafia 2 nächstes Jahr gar nicht mehr abwarten können und über einige Schnitzer hinwegsehen können, ist Pandemics letzter Titel einen Blick wert. Tobias Czullay
Wertung: 6/10