Testbericht: FIA World Rally Championship
Der Rallysport fristet nicht nur real eher ein Nischendasein. Trotz grandioser Fahrleistungen und Stars, wie Dauerweltmeister Sébastien Loeb, kann das Heizen über Stock und Stein auch in der virtuellen Welt nicht mit weitaus beliebteren Rennsportserien, die sich vor allem auf asphaltierte Strecke beschränken, mithalten. Immerhin erfreut sich die Colin McRae-Reihe, benannt nach dem bereits verstorbenen ehemaligen Rallyfahrer, einiger Popularität. Mit WRC – FIA World Rally Championship 2010 versuchen die rennspielerprobten Entwickler von Milestone dem Subgenre neuen Glanz zu verleihen. Ob´s gelingt?
Das Lizenzpaket ist geschnürt
Für Freunde aktueller Rennsimulationen ist gesorgt, denn das Spiel beinhaltet sämtliche Daten der aktuellen Saison 2010. Im Klartext heißt das: Ihr dürft euch auf Kursen rund um den Globus, wie Schweden und Großbritannien, mit den aktuellen Fahrern der laufenden Saison austoben. So könnt ihr etwa neben Weltmeister Loeb mit Ex-Formel 1-Weltmeister Kimi Räikkönen an den Start gehen und so schnell wie möglich von Punkt A nach B rasen. Neben der WRC-Klasse finden sich noch drei Unterklassen, in denen ihr mit weniger leistungsstarken Fahrzeugen an den Start geht. Zudem habt ihr die Möglichkeit, eine weitere Kategorie freizuschalten, in der ihr mit legendären Fahrzeugen antretet. Jedoch steht das "Group B"-Paket nur als kostenpflichtiger Download zur Verfügung. Sowas nennt man dann wohl reine Abzocke.
Let´s drive!
Abwechslungsreich gestaltet sich die Auswahl der Modi. So liegt es an euch im Modus "Der Weg zur WRC" mit einem eigens erstelltem Team die verschiedenen Klassen erfolgreich zu durchqueren, um schließlich in der WRC zum absoluten Champ zu werden. Wer seine Fähigkeiten zunächst verfeinern mag, sollte seinen Blick auf die WRC-Akademie richten, um allmählich in verschiedenen Prüfungen, die sich zunehmend im Schwierigkeitsgrad steigern, an den anspruchsvollen Rennsport herangeführt zu werden. Im klassischen Einzelspielermodus könnt ihr mit einem Fahrer eurer Wahl Einzeletappen oder –rallys, sowie ganze Meisterschaften und Zeitrennen absolvieren. Natürlich darf auch ein Mehrspielermodus nicht fehlen und so könnt ihr euch online mit bis zu 15 weiteren Mitspielern in einzelnen Etappen, Rallys oder einer Meisterschaft austoben. Auch darf vorher zunächst die Klasse festgelegt werden. Dass der Rallysport sich nicht der ganz großen Beliebtheit erfreut, spürt man online deutlich, denn viele Server werdet ihr zum jetzigen Zeitpunkt nicht vorfinden. Wie der zweifelhafte Trend es will, gibt es auch hier keinen "echten" Mehrspielermodus für Offlinerennen. Lediglich ein Hotseat-Modus, in dem bis zu vier Spieler abwechselnd an der Reihe sind, steht zur Verfügung. Bedauerlich.
Nun aber zu dem, was elementar wichtig ist für ein Rennspiel mit Simulationsanspruch: die Fahrphysik. Und die kann nicht wirklich überzeugen, selbst wenn man alle Fahrhilfen ausgeschaltet hat. Insgesamt steuern sich die Boliden recht indirekt und man bekommt kein wirkliches Feedback auf der Strecke. Es ist eher ein Gefühl, eine Blechdose zu fahren, als ein PS-starkes, wendiges Rallyfahrzeug. Dazu gesellt sich eine nicht vorhandene Atmosphäre, die zu keiner Zeit die Spannung eines echten Rallyevents aufkommen lässt. Das Spielgeschehen präsentiert sich steril und eintönig. So gibt es nicht einmal Pannen der vorausfahrenden Fahrer, die zu brenzligen Situationen führen könnten. Auch natürliche Ereignisse, wie Steinschlag und Ähnliches, sucht man vergebens. Das einzig Lebendige an den Strecken sind die Zuschauer, die jedoch auch eher tot als lebendig daherkommen, da sie stets dasselbe tun: monoton auf- und abhüpfen und jubeln. Echte Emotionen? Fehlanzeige.
Technische Tristesse
Grafisch erinnert der Titel an einen Generationssprung. Nach hinten. Recht undetaillierte Wagen gesellen sich zu leblosen, grauen Landschaften. Gerade in Zeiten von Konkurrenten a la Dirt 2 wirkt eine derartige Detailarmut wie ein Sprung in eine andere Zeit. Auch wenn es mal kracht und die Karossen in ihre Einzelteile zerlegt werden sollten, passiert wenig bis nichts. Große Blechschäden bleiben ebenso aus wie herumfliegende Großteile. Etwas Gutes hat es aber dann doch noch an sich: Die Rennen laufen stets flüssig über euren Bildschirm.
Schwach präsentiert sich auch der Sound. Was sich wie brummende, dröhnende Motoren anhören sollte, klingt eher wie schrottreife Seifenkisten. Immerhin wirken die Kommentare des Beifahrers zwar etwas lieblos, insgesamt aber doch informationsreich. Die Strecken selbst bieten keinerlei individuelle Klangkulissen und präsentieren sich somit auch hier ziemlich tot.
Fazit
Ich bin ein großer Motorsportfan und spiele daher auch gerne Rennspiele jeglicher Art. Ob Formel 1, GT-Klasse oder Motorrad. Her damit. Und auch dem Rallysport kann ich einiges abgewinnen. Allerdings nicht, wenn er derart lieblos, wie in Milestones' WRC – FIA World Rally Championship 2010 umgesetzt wurde! Das Fahrverhalten ist langweilig und erinnert nicht an ein PS-Monster, die Kulisse gleicht einem Friedhof und weniger einem spannenden Motorsportevent. Immerhin gibt es eine Vielzahl an Spielmodi und die aktuellen Daten der 2010er-Saison. Doch ganz ehrlich: All diese Daten sind unnütz, wenn nicht das Herz des Spiels aufgeregt schlägt. Und dies tut es ganz gewiss nicht. Alexander Börste
Wertung: 4/10