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Testbericht: Arcania - Gothic 4

29. 10. 2010 | Kategorie: Testberichte

Es war ein langer Kampf. Und fast wäre eine einst glorreiche Serie mit einem Schlag zernichtet (Das Wort gibt es tatsächlich) worden. Doch Gothic hat überlebt. Wenn auch in einer etwas anderen Form und mit einem anderen Entwicklerteam im Hintergrund. Die Piranha Bytes feierten mit Risen ihre eigene Auferstehung. Ob das JoWood und Spellbound nun mit Arcania - Gothic 4 ebenfalls gelingen mag?

Erinnern wir uns: Mit Gothic wurde einst ein Meilenstein in der Geschichte der deutschen Rollenspiele gesetzt. Der Nachfolger samt Erweiterungen gilt bis zur heutigen Zeit noch als Kulttitel. Und der dritte Teil sorgte dann für unvergessliche Narben in der reinen Weste. Waren schon die Vorgänger nicht ganz fehlerfrei, stellte Gothic 3 den Tiefpunkt der Serie da. Zahlreiche Bugs und Unzulänglichkeiten zerstörten jede Form von Spielspaß und am Ende trennten sich Piranaha Bytes und JoWooD im bitterbösen Streit. Die Marke blieb beim Publisher liegen, welcher ein indisches Entwicklerstudio mit der Entwicklung eines AddOns für Gothic 3 beauftragte, welches am Ende alles nur noch schlimmer machen sollte. Für den vierten Teil wurden nun die Jungs von Spellbound an Bord geholt. Und jetzt? Jetzt ist das Rollenspiel fertig.

Arcania – Gothic 4 spielt gut zehn Jahre nach den Ereignissen des Vorgängers. Der ehemals namenlose Held hat sich scheinbar zum Tyrannen über das Land gemausert und nennt sich nun Rhobar der Dritte und alte Bekannte wie Diego, Xardas und Konsorten warten nahezu an jeder Ecke auf den Spieler. Da werden Erinnerungen wach. Und zunächst scheint auch alles wie ein typisches Gothic auszusehen.

Schnell wird aber klar, dass hier ein grundlegend anderes System am Werkeln ist. Arcania ist das, was Gothic nie war und auch nie sein wollte: Einsteigerfreundlich. Das ist toll. Endlich muss man nicht mehr das umständliche Inventar bedienen. Endlich sind die Laufwege nicht mehr unendlich lang. Ja. So eine Entschlackung hat ihre positiven Seiten. Dummerweise aber hat sie auch ihre ganz und gar negativen Seiten. Arcania ist ein Rollenspiel light, welches mit der eigentlichen Intention von Gothic rein gar nichts mehr zu tun hat. Es soll ein größerer Kundenkreis angesprochen werden. Allein das sollte man wissen, bevor man Hand anlegt, an dieses neue Werk.

Solche Veränderungen sind legitim, doch bei Arcania wurden leide auch viele Elemente entfernt, welche ein gutes Spiel eben ausmachen. Zumindest ein gutes Rollenspiel. So gibt es dieses Mal keinerlei Offenheit in der Spielwelt. Sie ist zwar offen gestaltet, doch geradliniger könnte ein Spiel kaum daherkommen. Auch bei der Charakterentwicklung richtet sich das Spiel eher an absolute Einsteiger. Selbst eine gehirnamputierte Mikrobe könnte es kaum fertig bringen, innerhalb des Skilltrees eine Fehlentscheidung zu treffen. Auch der Schwierigkeitsgrad wurde soweit herabgesetzt, dass selbst blutige Neulinge keine Probleme haben dürften. Selbst ohne Rüstung ist der ein oder andere, ehemals knackige, Gegner zu knacken. Damit aber nicht genug: Nicht nur bei der Schwierigkeit wurde gespart, nein, auch beim Inhalt. Beispiel gefällig? Nehmen wir mal die Zauber zur Hand: Wo die Reihe stets mit verschiedenen Zaubern aller Art aufwarten konnte und so für jeden Spielertypen etwas bereithielt, kommt Arcania mit drei Zauberformeln daher. Drei. Wirklich. Nicht einmal das Fraktionssystem ist übrig geblieben.

Da Kampfsystem ist nicht minder weniger komplex ausgefallen. Die linke Maustaste wird, gerade in den niedrigeren Schwierigkeitsgraden, einfach so lange penetriert, bis die bösen Buben umfallen. Herausforderung? Fehl am Platz. Tiefgang? Nicht vorhanden. Totklicken ist das neue Komplex. Selbst Einarmige dürften damit keinerlei Schwierigkeiten haben. Das Problem ist nur, dass das Kampfsystem so dermaßen unterfordert, dass man sich beim Kämpfen langweilt. Selbst wenn die Gegner denn einmal zu einer schweren Attacke ausholen, so kann man dieser binnen von Sekunden ausweichen. Der Grund: Solche Attacken kündigen sich so offenkundig an, da müsste man schon ein Brett vor dem Kopf haben, um es nicht bemerken.

Immerhin: Alte Tugenden finden man auch in Arcania. So darf man auch hier munter stibitzen. Da schleicht man sich in fremde Häuser und leert die Schränke und Truhen. Doof nur, dass der Besitzer oft direkt danebensteht und keinen Mucks von sich gibt. „Ne, ach, komm! Nimm's mit! Bin ich halt arm. Ich brauch's nicht und geb's lieber 'nem Helden!“, denkt man sich da des Öfteren. Wo wir schon bei gedachten Monologen sind: Die Dialoge sind im neuen Gothic leider nur wenig tiefgründig. Echten Tiefgang gibt es auch hier nicht, weshalb die Geschichte schon bald in der gefühlten Bedeutungslosigkeit versinkt. Wirkliches Interesse will einfach nicht aufkommen.

Immerhin: Technisch ist der Titel aus dem Hause Spellbound, zumindest auf dem PC, ein echt nettes Teil. Nur die Hardwareanforderungen sind ein wenig übertrieben, wenn man das Gebotene am Ende begutachtet. Davon ab: Die Trinigy Engine kann sich durchaus sehen lassen. Die Animationen, die Wiesen und Wälder. Das hat schon was. Arcania – Gothic 4 ist ein hübsches Werk. Nur eben nicht auf der Konsole. Da flackert und ruckelt das Spiel gerne einmal etwas vor. Ärgerlich. Bei der Vertonung kann man erwähnen, dass die Sprecher sehr durchwachsen sind. Es gibt einige unter Ihnen, die verstehen ihr Handwerk. Viele wirken aber auch gekünstelt. Da ist die belanglose Hintergrundmusik fast kaum noch erwähnenswert. Wie eben der Rest des Spiels eigentlich auch. Was schade ist.

Fazit:
Versteht mich jetzt nicht falsch: Ich bin ein Fan der Reihe gewesen. Und bin es auch von Risen. Aber Arcania will mir einfach so gar nicht gefallen. Das liegt nicht daran, dass ich etwas gegen seichte Rollenspiele habe. Auch Action Rollenspiele sind genau mein Ding. Nur schafft es das neue Gothic einfach an gar keiner Stelle des Spiels in mir Begeisterung auszulösen. Es fehlen die Höhepunkte, es fehlt der Inhalt. Es fehlt auch der Tiefgang. Ich weiß, dass jetzt ein größerer Kundenkreis angesprochen werden soll. Aber möchte der wirklich einfach nur ein Spiel mit Mittelaltersetting und keinerlei Inhalt? Denn genau das ist Arcania geworden. Selbst für ein Rollenspiel light spielt es sich äußerst oberflächlich. Traurig. Aber eben auch wahr. - Michael Hoss

Wertung: 5 / 10

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