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Testbericht: Die Siedler: Aufstieg eines Königreichs

16. 12. 2007 | Kategorie: Testberichte

Lange hat es gedauert, endlich ist es da: Die Siedler wuseln zum sechsten Mal über die Computerbildschirme. Die Entwickler wollten sich dabei auf alte Tugenden besinnen und versprachen mehr Aufbau und weniger Echtzeitstrategie. Haben sie ihr Wort gehalten? Wir haben es ausprobiert.

Viele Fans der Serie haben bemängelt, dass sich Die Siedler immer mehr zu einer Echtzeitstrategiereihe entwickeln. Für den letzten Teil Die Siedler: Das Erbe der Könige mussten die Entwickler derart viel Kritik einstecken, dass es lange Zeit sehr ruhig um die Serie aus dem Hause BlueByte wurde. Man ging in sich, überdachte das Konzept und beschloss, den Rufen der Fans Gehör zu schenken. Aufstieg eines Königreichs will wieder wuseln, das Hauptaugenmerk liegt eindeutig auf dem Aufbaupart.

Screenshot: Die Siedler: Aufstieg eines KönigreichsZunächst muss man sich für einen Spielmodus entscheiden: Hier ist die Auswahl erfreulich groß. Eine gelungene, 16 Kapitel umfassende Kampagne ist ebenso vorhanden wie das beliebte freie Spiel. Will man sich nicht mit einer Story herumschlagen, locken außerdem zahlreiche Einzelmissionen, in denen es verschiedenste Siegbedingungen zu erfüllen gibt. Wer will, darf zudem gegen bis zu drei Kontrahenten im lokalen Netzwerk und natürlich im Internet antreten. Wir entscheiden uns für die Kampagne und bekommen die Aufgabe, den Roten Prinzen und seine Gemahlin davon abzuhalten, das gesamte Land zu unterjochen und auszubeuten. Zu Beginn jeder Mission gilt es zunächst, sich für einen Helden zu entscheiden. Jeder hat natürlich eigene Stärken: Einer stimmt auf dem Marktplatz beispielsweise ein Liedchen an, um hungernde oder unzufriedene Siedler zu beruhigen. Andere verstehen das Kriegshandwerk besonders, sind geschickte Händler und so weiter. Im Spiel selbst gilt es, bestimmte Voraussetzungen für eine Beförderung des Helden zu schaffen. Hat man dies erreicht, wird dem aktiven Helden auf dem Marktplatz ein Adelstitel verliehen. Mit jeder Beförderung wird der Charakter zudem stärker und verbessert seine besonderen Fertigkeiten. Meist gilt es, für den erfolgreichen Abschluss einer Mission seinen Helden in einen bestimmten Status zu befördern. Dadurch wirkt das Gameplay schnell etwas eintönig, da es immer nach dem gleichen Schema abläuft: Siedlung erweitern, Rohstoffe abbauen, Helden befördern. Etwas mehr Abwechslung wäre wünschenswert gewesen, auch wenn sich das Spiel Mühe gibt, durch zahlreiche Nebenmissionen nicht langweilig zu werden. Aber eins nach dem anderen!

Screenshot: Die Siedler: Aufstieg eines KönigreichsZu Beginn freut man sich über eine wunderschöne Idylle, der Wind streicht durch die Wälder, Wölfe jagen das umherziehende Wild. Eine erste Siedlung ist schnell zusammengezimmert: Ein paar Jagdhütten sorgen für Fleisch, Holzfäller tragen Baumaterial ins Lagerhaus. Fans der Serie werden schnell merken, dass der Warenkreislauf deutlich reduziert wurde, um Neulingen den Einstieg zu erleichtern. Weizen wird direkt vom Bäcker weiterverarbeitet, ohne zwischendurch in einer Mühle gemahlen zu werden. Holzfäller liefern direkt fertige Bretter ins Lagerhaus, ein Sägewerk ist nicht mehr nötig. Auch die Transportwege müssen nicht mehr ständig optimiert werden. Fahnen gibt es nicht mehr, dementsprechend auch keine Träger. Wege werden jetzt direkt angelegt und können später zu Straßen ausgebaut werden, um den Transport zu beschleunigen. Veteranen wird es sicherlich ärgern, Gelegenheitsspieler und Einsteiger freuen sich über eine kurze Einarbeitungszeit und insgesamt flüssigeres Gameplay. Ein Leichtgewicht ist Die Siedler deswegen trotzdem nicht, zumal einige Faktoren erschwerend hinzugekommen sind: Beispielsweise vier Jahreszeiten und verschiedene Klimazonen. So wächst im Winter kein Korn und auch Honig kann nicht erwirtschaftet werden, sodass man sich spätestens im Herbst ausreichend bevorraten sollte. Ansonsten drohen in der verschneiten Jahreszeit Hungerstreiks und ein Wertverlust der Stadt. Der Wert der Siedlung nimmt aber direkten Einfluss auf die Moral der eigenen Soldaten, und diese schützen immerhin die Handelskarren vor Räubern und die Stadt vor „feindlichen Übernahmen“… Die Beziehungen der einzelnen Komponenten untereinander sind also immer noch komplex, und eine Fehlentscheidung kann das gesamte zerbrechliche Gefüge zum Einsturz bringen.

Während der Aufbaupart also gelungen ist, schwächelt das Spiel bei der Diplomatie stark. Echte Charakterköpfe, wie die KI sie bei Anno 1701 oder Civilization 4 verkörpert, sind nicht zu finden. Trifft man auf Computerspieler, sehen diese immer gleich aus, nicht einmal ein paar unterschiedliche Gesichter wurden ihnen spendiert. Genauso austauschbar ist leider auch ihr Verhalten: Außer etwas Handel haben die Kontrahenten nicht viel auf dem Kasten. Ebenso die grimmigen Räuber, die ebenfalls scheinbar alle von dem gleichen Oberhaupt angeführt werden. Zwischendurch fordern diese vom Spieler einen Tribut. Wird dieser nicht gezahlt, drohen die Banditen mit Konsequenzen, die man aber nur selten tatsächlich zu spüren bekommt. Insgesamt ist die KI relativ schwach, sodass man immer das Gefühl hat, allen künstlichen Spielern haushoch überlegen zu sein. Sie sind einfach zu gesichtslos, um ernst genommen zu werden.

Auch in der Bedienung offenbart der Titel einige Schwächen: So ist es beispielsweise nicht möglich, ein zweites Lagerhaus zu errichten, um die Lieferwege zu verkürzen und die Kapazitäten zu vergrößern. Zwar lässt sich das zentrale Lager ausbauen, ab einer bestimmten Größe kommt aber in jeder Siedlung irgendwann die Meldung: „Ihr Lager ist voll“. Das ist ärgerlich und unnötig. Auch lassen sich keine Prioritäten bei der Warenzufuhr setzen. So sind der Lederer und der Fleischer auf Wildlieferungen angewiesen. Hungert aber die Bevölkerung, kann man den Warenstrom nicht auf den Fleischer konzentrieren. Als einziges Mittel bleibt die vorübergehende Stilllegung der Kleidungsproduktion. Bei mehreren belieferten Betrieben wird das schnell zu Geduldsprobe.

Screenshot: Die Siedler: Aufstieg eines KönigreichsZum Glück ist der militärische Part sehr einfach gehalten und erfordert keine langwierige Einarbeitung. Die kleinen Scharmützel hier und da sind eher eine angenehme Abwechslung, stehen aber nie im Vordergrund, wie es bei den Vorgängern teilweise der Fall war. Das Prinzip Wachturm ist geblieben: Erobert man eine solche Verteidigungsanlage des Gegners, darf man anschließend sein Territorium für sich beanspruchen. Neu ist die Einteilung in Sektoren: Die Karte ist in mehrere dieser Abschnitte eingeteilt. Errichtet man in einem neuen Sektor einen Wachturm, wird dieser auf der Karte in der eigenen Farbe gekennzeichnet und man darf ab sofort die dort vorhandenen Rohstoffe abbauen. Das gestaltet sich recht einfach, da die optimalen Bedingungen auf der Karte markiert werden, sobald man das Gebiet mit seinem Helden erforscht. Ein Fischsymbol drängt den Bau einer Fischerhütte auf, Minen sind bereits vorhanden und beispielsweise mit einem Symbol für Gold oder Erz versehen. Geologen, die laut „Jippieh!“ rufen, werden also nicht mehr gebraucht. Gerade diese Entmündigung des Spielers sorgt oft dafür, dass einen die erreichten Fortschritte nicht mehr so zufrieden stellen wie zu Zeiten eines Die Siedler 2, als man sich noch um jedes Detail selbst kümmern musste.

Screenshot: Die Siedler: Aufstieg eines KönigreichsDennoch ist es gerade die besondere Atmosphäre, die den Reiz des Titels ausmacht. Einen großen Teil trägt dazu die beeindruckende Präsentation bei, die einem glaubhaft eine echte, mittelalterliche Welt vermittelt. Die Abkehr von Runden Köpfen und Nasen hat dem Spiel insgesamt sehr gut getan und sorgt für ein frischeres Spielerlebnis. Nein, die Optik ist nicht mehr so knuddelig. Nein, der Wuselfaktor ist auch nicht mehr so stark wie in den Vorgängern, der Wegfall der Träger hat hieran einen großen Anteil. Dennoch macht es immer wieder Spaß, einfach ein paar Minuten der lebendigen Welt zuzusehen. Die Siedler gehen eindrucksvoll ihrem Tagesgeschäft nach und auch kleinste Details wurden nicht vergessen. So kann man den Handwerkern dabei zusehen, wie sie Leder gerben, Schwerter schmieden und ihre Waren ins Lager schleppen. Auch die Natur hat ein Eigenleben: So greifen Wolfsrudel beispielsweise selbstständig das Wild an und reißen es, sehr zum Ärger der örtlichen Jäger. Die gelungene Sprachausgabe und die zahlreichen Soundeffekte geben ebenfalls keinen Anlass zur Kritik. Der Preis des ganzen: Horrende Anforderungen an die Hardware. Selbst auf aktuellen Highend-Systemen kommt es beim Scrollen immer wieder zu starken Rucklern, die besonders bei großen und stark ausgebauten Siedlungen teilweise für richtige Aussetzer sorgen. Hier hätte eine saubere Programmierung sicherlich einiges verhindern können. Denn auch grafisch eindrucksvolle Titel wie Crysis und World in Conflict lassen sich auf Rechnern der Mittelklasse noch anständig spielen. So wird sich mancher Besitzer eines Pentium 4 schnell ärgern und der Konkurrenz zuwenden. Schade!

Fazit

Schwierig, hier eine Wertung zu finden: Auf der einen Seite stehen ein unkomplizierter Einstieg und eine gelungene Atmosphäre, andererseits stören die schwache KI, das sich wiederholende Gameplay und der vereinfachte Warenkreislauf auf Dauer den Gesamteindruck. Dennoch werden die neuen Siedler nicht langweilig und sind gerade denjenigen zu empfehlen, die weder Zeit noch Lust haben, sich stundenlang in ein Spiel einzufinden, bevor sie es genießen können. Echten Hardcore-Strategen und Spielern mit einem schwachen Rechner sei deshalb aber lieber der direkte Konkurrent Anno 1701 ans Herz gelegt. Simon Weiß

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