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Testbericht: Patrizier IV

06. 10. 2010 | Kategorie: Testberichte

Auf der gamescom stellte Patrizier IV eine der ganz wenigen Ausnahmen dar, die auch alteingesessene Strategie-Fans mit Vorfreude erfüllt haben dürften. Nun steht das Spiel, das anders als die Vorgänger von Kalypso vertrieben wird, in den Läden und wir haben es einem gründlichen Test unterziehen können. Kann es Patrizier IV mit Anno 1404 und Die Siedler 7 aufnehmen oder kommt es nicht über die Rolle als Nischenprodukt hinweg?

Patrizier IVFür Kenner sicher etwas verwunderlich dürfte die Tatsache sein, dass der neueste Patrizier-Teil den Zusatz "IV" trägt, obwohl es sich dabei eigentlich erst um den dritten Teil der Serie handelt. Erklären lässt sich dieser im ersten Moment verwirrende Zusammenhang damit, dass das Add-On Patrizier II: Aufschwung der Hanse in einigen Ländern bereits als Patrizier III bezeichnet wurde. So oder so handelt es sich bei Patrizier IV aber nun um den neuesten Teil der Saga, wenngleich sich beim Spielprinzip nur wenig im Vergleich zu den Vorgängern getan hat.

Eure Aufgabe ist es, ein erfolgreiches Handelsimperium in der Zeitepoche der Hanse aufzubauen, indem ihr euch als Kaufmann betätigt, Waren per Schiff handelt oder selber produziert. Dies geschieht entweder in der Kampagne oder im "freien Spiel". Bei der Kampagne handelt es sich aber mehr um ein umfangreicheres Tutorial, bei dem man über einen längeren Zeitraum mit den zahlreichen Spielementen vertraut gemacht wird, die im Laufe der Zeit zur Verfügung stehen. Ausgangspunkt eures Imperiums ist eure Heimatstadt, von der aus ihr zu Beginn mit einem einzigen Schiff Handel mit anderen Städten treiben könnt. Hierzu müssen jeweils Waren, die im Überfluss vorhanden sind billig eingekauft, und solche, an denen es mangelt teuer verkauft werden. Das Warenangebot in den einzelnen Städten ist dabei unterschiedlich, nicht nur weil diese jeweils unterschiedliche Güter produzieren, die dann natürlich in der jeweiligen Stadt zu genüge vorhanden sind.

Patrizier IVDer Handel zwischen den Städten kann manuell oder automatisch durchgeführt werden. Zunächst muss hierzu eine Handelsroute, die aus mindestens zwei Städten besteht, erstellt werden. In jeder Stadt, die entlang der Handelsroute liegt, können Waren festgelegt werden, mit denen gehandelt werden soll. Beim manuellen Handel können außerdem bestimmte Preisschranken angegeben werden, zu denen Produkte gekauft oder verkauft werden sollen. Einmal erstellte Handelsrouten können abgespeichert und dann Konvois, die aus einem oder mehreren Schiffen bestehen, zugeordnet werden. Wird die Handelsroute nach Auswahl des Konvois anschließend aktiviert, fährt dieser selbstständig von Stadt zu Stadt und ihr könnt im Prinzip bei der Vermehrung eures Vermögens zuschauen. Ändern sich sich die wirtschaftlichen Bedingungen, von denen bei der Erstellung der Handelsroute ausgegangen wurde, gibt es beispielsweise Schwankungen bei Angebot und Nachfrage, so müssen die gespeicherten Handelsrouten natürlich daran angepasst werden, damit sie profitabel bleiben. Ob ein Konvoi profitabel ist lässt sich einer zum Glück relativ simplen Statistik entnehmen, in der die Kosten und Einnahmen der Handelswege für unterschiedliche vergangene Zeiträume aufgeführt sind.

Statt per Handelsroute lassen sich Städte auch direkt mit einzelnen Schiffen anfahren. Die Ladung oder auch nur ein Teil davon kann anschließend im Hafen verkauft werden. Dies ist zum Beispiel bei der Erfüllung von bestimmten Aufträgen nötig, die immer wieder im Rathaus einzelner Städte angeschlagen werden und oft aus fest terminierten Warenlieferungen bestehen, die mit einem vorher festgelegten Betrag vergütet werden. Bei einer anderen Sorte von Aufträgen könnt ihr den Städten Geld über einen bestimmten Zeitraum leihen und profitiert dann von den meistens üppig ausfallenden Zinsen. Um die Wartezeit zwischen den Aufträgen zu verkürzen oder das Ansparen bestimmter Summen nicht zu langwierig werden zu lassen bietet Patrizier IV einen Zeitraffer-Modus. Wie aus anderen Genre-Vertretern bekannt lässt sich die Zeit damit komfortabel per Knopfdruck beschleunigen und anschließend wieder in den Echtzeit-Modus wechseln, sobald es euch recht ist.

Patrizier IVIm Laufe des Spiels kommen neben dem Handel weitere Spielelemente hinzu. Neben dem Ausbau der Flotte und dem Einbeziehen weiterer Städte durch neue Handelsrouten gehört dazu die Errichtung von Fabriken und Manufakturen, in denen ihr eure eigenen Waren produzieren könnt. Bevor es soweit ist, gilt es aber zunächst ein bestimmtes Ansehen in der jeweiligen Stadt zu erreichen, in der die Produktionsstätte errichtet werden soll. Ansehen lässt sich vor allen Dingen durch den Verkauf knapper Waren erhalten, die meist nur in weit entfernten Städten vorrätig sind. Das Steigern des Ansehens stellt eine der größten Herausforderungen in Patrizier IV dar, denn während sich Handelsrouten, die einigermaßen profitabel sind in den meisten Fällen ohne größeren Aufwand erstellen lassen, stellt die Lieferung knapper Waren oftmals ein durchaus umfangreicheres Unterfangen dar, dass zudem nicht immer rentabel ist. Die Erlaubnis zum Bau eigener Produktionsstätten lässt sich wie einige andere Privilegien -das benötigte Ansehen vorausgesetzt- in der jeweiligen Gilde erwerben. Jede Stadt hat nicht nur eine eigene Gilde, sondern euer Ansehen ist außerdem auch von Stadt zu Stadt verschieden. Ob ihr eure Aktivitäten nur auf eine Stadt konzentriert oder versucht in mehreren Städten Fuß zu fassen bleibt dabei ganz euch überlassen (mit Ausnahme spezifischer Aufträge oder Kampagnenziele). Neben den auf der Landkarte verzeichneten Städten lassen sich auch unbekannte Orte per Schiff ansteuern. Hierzu müssen Expeditionen durchgeführt werden, die bei einem Erfolg wirtschaftliche Vorteile versprechen.

Patrizier IVMag das Konzept von Patrizier IV prinzipiell überzeugen, so gibt es leider auch den ein oder anderen Kritikpunkt: Generell ist die Menüführung auch mit einigen Spielstunden Erfahrung nicht immer intuitiv. So lassen sich Buttons außerhalb eines gerade geöffneten Menüs nicht anklicken, es wird aber in keiner Weise verdeutlicht, dass die Buttons nicht benutzbar sind. Dies führt ebenso zu ärgerlichen Momenten wie die teilweise etwas unübersichtliche Zusammenstellung der Handelsrouten oder die Organisation von Konvois. Da diese zudem nur innerhalb eines Hafens zusammengestellt oder wieder aufgelöst werden können, muss die Planung von Konvois sehr vorausschauend angegangen werden, um unnötige Wartezeiten der Schiffe im Hafen zu vermeiden. Ebenfalls nicht ganz optimal stellt sich das Rangsystem dar, da im ersten Moment nicht klar ist, wann genau Ränge vergeben werden.

Patrizier IVTechnisch macht Patrizier IV eine akzeptable, aber keinesfalls herausragende Figur. Zwar werden die Städte in 3D dargestellt, ein Grafikblender ist das Spiel daher aber noch lange nicht. Immerhin wurde aber an Details wie wechselnde Jahreszeiten gedacht. Die Landkarte kommt ebenso wie die Menüs und Symbole in klassischem 2D daher und bietet keinen Anlass zur Kritik, wenngleich die Qualität auch hier nur selten über den funktionalen Aspekt hinausreicht. Ein Wort sollte sicher auch zur Online-Schnittstelle des Spiels verloren werden. Ist der PC beim Start des Spiels nicht mit dem Internet verbunden, wird diese nicht aktiviert. Im anderen Fall lässt sich das Spiel jedoch nicht mehr ohne weiteres starten, sondern es muss ein Benutzer-Account beim Publisher Kalypso angelegt werden. Das ganze Prozedere mag zum automatischen Einspielen von Updates durchaus sinnvoll sein, ein fader Beigeschmack bleibt aber dennoch, da dem Spieler keine Wahl gegeben wird, sobald eine Internet-Verbindung zur Verfügung steht. Wer also auf den Zwang zur Registrierung verzichten möchte zieht besser vor dem Starten des Spiels den Stecker. Das Einspielen der Updates selbst klappt ohne Probleme und insbesondere das erste der beiden bisher erschienenen Updates konnte auf unserem Testrechner zahlreiche Fehler beseitigen.

Fazit

Freunde klassischer Handelssimulationen werden nicht nur mangels Konkurrenz an Patrizier IV ihre Freude haben. Das simple Spielprinzip und die gleichzeitig komplexen Wirtschaftskreisläufe der umfangreichen Spielwelt können für zahlreiche Stunden Spielspaß sorgen, wenn man sich von der nicht ganz gelungenen Menüführung nicht irritieren lässt. Unter dem Strich bleibt damit eine solide Wirtschaftssimulation, die Gelegenheitsspieler allerdings nicht so sehr in den Bann ziehen wird wie Genre-Fans. Mario Siewert

Wertung: 7/10

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