Videospielkultur.de » Testberichte

Testbericht: Devil May Cry 4

06. 03. 2008 | Kategorie: Testberichte

Der Teufel hatte bisher Höhen und Tiefen: Während das erste Devil May Cry viele Fans begeistern konnte, wurden der zweite und auch der dritte Teil oft heftig diskutiert. Um zu alter Stärke zurück zu finden, wurde für Devil May Cry 4 ein weiteres Mal der Produzent des ersten Titels verpflichtet, der zuletzt bei Resident Evil 4 für die Qualitätssicherung zuständig war.

Was ist bloß mit Dante los? Während eines feierlichen Gedenkgottesdienstes zu Ehren seines Vaters Sparda kracht der einstige Held der Serie plötzlich mit einem grimmigen Gesichtsausdruck durch das Dach der Kathedrale. Der Priester, der eben noch die Lobesrede hielt, wird von Dante mit einem gezielten Pistolenschuss hingerichtet. Die danach hereinströmenden Ordensritter fallen einer nach dem anderen dem gewaltigen Schwert des Eindringlings zum Opfer. Auch der junge Ritter Nero traut seinen Augen nicht: Hat der einstige Dämonenjäger und Volksheld die Seiten gewechselt? Ist er wahnsinnig geworden? Eins ist sicher: Dante muss gestoppt werden. Also stürzt sich Nero mutig in den Kampf, um den Störenfried aufzuhalten und seiner gerechten Strafe zuzuführen.

Screenshot: Devil May Cry 4Damit wären wir auch schon bei einer der größten Neuerungen in Devil May Cry 4: Statt wie üblich in die Haut des Dämonenjägers Dante zu schlüpfen übernehmt ihr diesmal die Kontrolle über Nero, einen jungen Ordensritter, der vom Orden ausgesandt wird, den abtrünnigen Helden von einst nach seinem Attentat zu fassen. Aber keine Sorge: Nero sieht vom flatternden Mantel bis zum überdimensional großen Schwert aus wie sein offensichtliches Vorbild Dante. Selbst die Haarfarbe scheinen die beiden im selben Geschäft zu kaufen. Fans der Serie werden also nicht vor den Kopf gestoßen, sondern behutsam in die neue Rolle eingeführt. Anders als z.B. in Metal Gear Solid 2 mit dem blonden Jüngling Raiden bleibt die Identifikation mit dem Protagonisten nahezu identisch. Einziger Unterschied: Nero plagt sich mit einem dämonischen Arm herum, der zwar sein Ansehen in der Mitbevölkerung schmälert, ihn dafür aber auch mit einigen Kräften ausstattet über die Dante nicht verfügt. So lassen sich mit Hilfe des „Devil Bringer“ wunderbar Feinde durch die Luft wirbeln oder zu Nahkampfzwecken heranziehen. Auch als Enterhaken muss der Arm herhalten, um beispielsweise größere Abgründe zu überwinden. Der „Devil Bringer“ sorgt also für etwas frischen Wind im Gameplay. Das ist auch bitter nötig, da sich ansonsten nicht viel verändert hat.

Screenshot: Devil May Cry 4Capcom ist den Weg des geringsten Widerstandes gegangen: Devil May Cry 4 spielt sich wie jeder beliebige Vorgänger. Es darf wieder aus vollen Rohren geschossen werden, ohne dass man sich Sorgen um Munition machen muss. Auch Nero besitzt ein riesiges Schwert, das Gegner stilvoll zu Kleinholz verarbeitet. Außerdem muss sich der junge Ritter regelmäßig mit Hilfe von roten Orbs mit Gegenständen eindecken. Neu: Um neue Fähigkeiten zu erlernen oder vorhandene zu steigern, gilt es diesmal „stolze Seelen“ zu sammeln. Diese sind etwas knapper bemessen und werden zwischen den Missionen als Belohnung ausgegeben. Deshalb ist es wichtig, in den Kämpfen möglichst stilvoll aufzutreten: Variiert ihr eure Angriffe regelmäßig, statt nur auf einen Knopf zu hämmern, steigt euer Stilbalken von „Atomic“ bis „Smokin´ Style“. Je höher der Stilrang, desto mehr rote Orbs lassen besiegte Gegner zurück, und umso großzügiger fällt die Belohnung in Form von stolzen Seelen am Ende des Levels aus. Die zahlreichen Fähigkeiten und Upgrades sind mal mehr, mal weniger sinnvoll. Sehr positiv ist, dass man erworbene Fähigkeiten jederzeit wieder „umtauschen“ kann: Dadurch hat man die Möglichkeit, ausgiebig zu experimentieren und den Charakter an seinen individuellen Spielstil anzupassen. Wem das alles zu kompliziert ist, der darf seinen Helden auch automatisch leveln lassen.

Screenshot: Devil May Cry 4Ansonsten stürmt man wieder von einem Abschnitt zum nächsten: In einer kurzen Sequenz werden alle Ausgänge magisch verschlossen und dutzende Gegner tauchen auf, welche dann von dezenten Elektro-Beats begleitet zurück in die Hölle geschickt werden müssen. Im Laufe des Spiels erhält man dank der stolzen Seelen immer neue Kombos hinzu, sodass sich das Spielprinzip nicht abnutzt. Auch bei Devil May Cry 4 wurde wieder auf eine pompöse Inszenierung Wert gelegt. Während diese bei den Vorgängern dank des recht oberflächlichen Helden Dante oft ins Lächerliche abglitt – man denke nur an Monster vernichtende Gitarrensoli – erreicht die Geschichte um Nero fast die epischen Ausmaße eines Final Fantasy. Der junge Ritter ist von Verlustängsten geplagt, wird wütend, tief traurig, und hat dann im nächsten Moment wieder einen lockeren Spruch auf den Lippen. Diese charakterliche Vielschichtigkeit macht einfach Spaß. Nero bei seinem Reifeprozess zu beobachten lässt den Titel zudem wesentlich erwachsener erscheinen – ohne dabei jedoch übertrieben ernst zu wirken. Die Zwischensequenzen können sich wirklich sehen lassen und treiben die stimmungsvolle Geschichte weiter voran. Leider scheint diese ungefähr nach der Hälfte ihren Zenit überschritten zu haben: Was in der zweiten Halbzeit folgt wirkt irgendwie aufgesetzt, die Level arten in fast langweilige Arbeit aus. Zum Glück wird der Spieler zum Schluss mit einem bombastischen Endkampf belohnt, für dessen Inszenierung die Entwickler ganz offenbar Richtung God of War geschielt haben.

Generell kann sich Devil May Cry 4 sehen und hören lassen: Auch wenn die Optik nicht ganz an so stimmungsvolle Titel wie Uncharted heranreicht, weiß sie doch mit netten Lichtspielereien und sehenswerten Effekten zu gefallen. Nur die etwas aus der Reihe tanzenden Innenpassagen trüben ab und zu den guten Eindruck. Innerhalb von Höhlen und dunklen Ruinen wirken die Umgebungen trist, die Texturen grau und langweilig. Diese seltenen Abschnitte können den positiven Gesamteindruck allerdings nicht stören. Auch der Sound ist sehr gelungen: Neben der bereits erwähnten musikalischen Untermalung sind es vor allem die englischen Originalsprecher, die für eine dichte Atmosphäre sorgen. Die deutschen Untertitel sind ebenfalls angemessen und geben das Gesprochene originalgetreu wieder.

Fazit

Auch wenn der raubeinige Grieche Kratos aus God of War ehrlich gesagt eher mein Fall ist, so hat mich Devil May Cry 4 doch viele Stunden sehr gut unterhalten. Die Story, die Präsentation und das Gameplay sind tadellos, auch der zurückgeschraubte Kitschfaktor in den Zwischensequenzen steht dem Titel gut zu Gesicht. Schade ist lediglich, dass das Spiel nach der ersten Hälfte einen ziemlichen Durchhänger hat und bis zum wieder grandiosen Endkampf lediglich Spielelemente aus der ersten Halbzeit aufgewärmt werden. Auch wenn sich Capcom noch an Bewährtes klammert: Ein neuer Held ist mit Nero geschaffen, jetzt wünsche ich mir für Devil May Cry 5 einen Bruch mit den staubigen Traditionen, wie man ihn zuletzt bei Resident Evil 4 erleben durfte. Zwar lässt der aktuelle Teil die beiden mittelmäßigen bis schlechten Vorgänger vergessen: Um in den Spiele-Olymp aufzusteigen, fehlt Devil May Cry 4 allerdings noch das letzte Quentchen Mut zur Veränderung. Simon Weiß

Kommentar verfassen:

Dein Name:   

Sicherheitscode:  



 

Bisherige Kommentare:

Es gibt bisher noch keine Kommentare.