Videospielkultur.de » Testberichte

Testbericht: L.A. Noire

25. 05. 2011 | Kategorie: Testberichte

Wie sehen die Spiele dieser Tage aus? Richtig. Sie alle sind irgendwo auf Action ausgelegt. Sie kümmern sich um Orks. Um die Zukunft. Manches mal auch um die Gegenwart oder die Vergangenheit. Es gibt die verschiedensten Erzählweisen, doch irgendwie hat man sie alle schon einmal gesehen. Selten gibt es neue, kreative Ansätze. Zum Beispiel bei Heavy Rain. Oder aber eben auch bei L.A. Noire.

Screenshot: L.A. NoireVor etlichen Jahren wurde das Spiel aus dem Hause Rockstar und Team Bondi angekündigt. Damals wurde es als ein Konkurrent zu Mafia gesehen. Als ein Warnschuss. Ein Grand Theft Auto in den vierziger Jahren. Doch jetzt, wo es auf den Markt gekommen ist, da wird klar, es ist viel mehr als das. Eine neue Form von Spiel. Denn seien wir mal ehrlich: Wir haben schon viel gesehen, doch einen echten Krimi? Einen Krimi mit einer gigantischen Welt? Nein. Das gab es noch nicht. Diverse Point & Click Adventures hatten einen Ansatz von Krimi, doch niemals waren sie so interaktiv wie es L.A. Noire jetzt ist.

Doch dazu später mehr. Wollen wir uns erst einmal die Geschichte ansehen. Denn die ist in diesem Falle durchweg durchdacht. Der Spieler schlüpft in die Haut von Cole Phelps, einem Polizisten in Los Angeles, der mit einem schlag eine sprunghafte Karriere hinlegt. Bereits nach den ersten Fällen wird er zum Detective befördert, landet zunächst im Verkehrsdezernat, wo er sich einen Namen macht und schnell zum Morddezernat versetzt wird. Von dort geht es weiter zur Sitte und selbst das ist noch nicht das Ende seiner Reise. Allzu viel wollen wir an dieser Stelle nicht vorwegnehmen, da L.A. Noire von seiner Geschichte, seiner Dramatik lebt. Und die geht flöten, wenn schon vorher sämtliche Wendungen bekannt sind. Ergo: Wir halten still.

Screenshot: L.A. NoireIn jedem Dezernat gibt es zahlreiche Fälle zu lösen. Sie sind das Herzstück von L.A. Noire. Sie bestimmen das Gameplay. Sie sind es, die von den Entwicklern ganz besonders in Szene gesetzt wurden. In der Regel beginnt ein Fall im Dezernat. Bei einer Besprechung. Der Spieler bekommt einen Fall zugewiesen und macht sich daraufhin mit seinem Partner auf den Weg zum Einsatzort. Zum Tatort. Und hier fängt das Spiel an, sich von allen anderen Titeln zu distanzieren. Denn bei L.A. Noire stehen die Untersuchungen im Mittelpunkt. Jeder Tatort wird akribisch auf Spuren untersucht. Zahlreiche Gegenstände können aufgehoben, Leichen untersucht und Spuren gesichert werden. Das Spiel gibt hierbei immer wieder dezente Hinweise, wenn ein Gegenstand genauer unter die Lupe genommen werden darf. Auch deutet es an, wenn man tatsächlich alle Beweise entdeckt hat. Allein auf den Tatorten könnte man Stunden verbringen, mit so vielen Details sind sie bedacht.

Ein Beispiel gefällig? Im Spiel gibt es diverse tote Frauen, deren Morde aufgeklärt werden sollen. Ein Tatort ist dabei vom Täter so präpariert worden, dass er eine ganz eigene Spur beinhaltet, die immer weiter vom eigentlichen Ort des Geschehens wegführt und so für Verwirrung sorgt. Aber eben auch für Spannung.

Screenshot: L.A. NoireImmer wieder müssen Zeugen und Verdächtige befragt werden. Und auch hier ist L.A. Noire wie kein anderes Spiel. Denn die Zeugen machen zwar ihre Aussagen und es dürfen verschiedenen Themen ausgewählt werden, über die gesprochen werden soll, doch gilt es hier, herauszufinden, ob das Gegenüber die Wahrheit sagt oder aber ob man Gefahr läuft, einer Lüge aufzusitzen. Doch wie kann man eine Lüge enttarnen? Das ist der Knackpunkt. Denn gar so einfach ist das nicht. Dazu müssen wir einen Blick auf die Technik werfen.

Für L.A. Noire haben die Entwickler ein unglaublich aufwändiges Animationsverfahren entwickelt. Dabei werden die Mimiken von Schauspieler per Motion Capture Verfahren aufgenommen. Und das gleich mit mehreren Kamera. Aus unterschiedlichen Blickwinkeln. Die gewonnenen Daten werden dann auf die Spielfiguren übertragen. Das Ergebnis kann sich sehen lassen: Noch nie sahen Gesichter samt Mimik in einem Spiel so glaubwürdig aus. Und diese Technik ist es, die es auch ermöglicht, Lügen zu erkennen. Denn die Charaktere wirken dann unsicher, spielen mit den Lippen, kneifen hier und dort mal ein Auge zu. Man könnte fast meinen, einem echten Menschen gegenüber zu sitzen, der sich da gerade ein wenig verhaspelt. Doch Vorsicht: Wer eine Lüge erkannt zu haben meint, der muss dies an Hand der gefundenen Beweise auch belegen können. Für richtig gestellte Fragen und richtig angebrachte Beweise gibt es dann Intuitionspunkte, welche eingesetzt werden dürfen, um solche Befragungen ein wenig zu erleichtern.

Screenshot: L.A. NoireDiese Befragungen sind es, die L.A. Noire so ungemein fesselnd machen. Denn die Entwickler haben unglaublich viele verschiedene Figuren eingebaut, die allesamt anders reagieren. Es ist eine echte Herausforderung, hier nicht dem Gegenüber auf den Leim zu gehen. Und es fesselt, die Wahrheit ans Tageslicht kommen zu lassen.

Aufmerksame Leser haben bereits bemerkt, dass das Gameplay im Kern wenig auf Action setzt. Und das ist auch von den Entwicklern gewollt, L.A. Noire soll sich ja gerade ganz erheblich von Titeln wie Grand Theft Auto absetzen. Es will erfrischend sein. Einen echten Krimi darstellen. Und eben keinen reinen Action Titel mit offener Spielwelt. Trotzdem gibt es sie, die Actioneinlagen. Doch sie sind selten. Und wenn, dann umso erdrückender. Da gibt es Schlägereien, Verfolgungsjagden zu Fuß und mit dem Auto. Bei der Sitte sind solche Szenen häufiger anzutreffen, als beim Verkehrsdezernat. Doch stets ist der Spieler bei solchen Momenten gezwungen, zu reagieren. Nie wird er den ersten Schritt zur Gewalt tätigen. Schließlich zählt er zu den Guten. Auch die Schießerein werden eher aufgezwungen, als ausgelöst. Das schafft eine bedrückende Atmosphäre. Aber auch Glaubwürdigkeit. L.A. Noire ist ungemein glaubwürdig. Ja, so hätte ein Detective in den vierziger Jahren wirklich agieren können. Ja, so hätte es sein können. So muss es gewesen sein.

Screenshot: L.A. NoireBei der Technik kommt die gleiche Engine wie bei Grand Theft Auto IV zum Einsatz. Es gibt ein frei befahrbares Los Angeles, welches allerdings wesentlich weniger pompös daherkommt, als Liberty City. Wenn man es genau nimmt, ist die Stadt sogar vergleichsweise hässlich ausgefallen und bietet nur wenig Wiedererkennungswert. Sie ist trist, zu großen Teilen grau. Nein. Wirklich schön ist die Optik nicht. Außer eben den unglaublich genialen Gesichtern der Figuren. Wobei die Frauen hier insgesamt weniger gut gemacht wurde, als die Männer. Die Figuren selbst sind in Ordnung. Es ist also insgesamt technisch sehr durchwachsen. Auf der einen Seite großartig, auf der anderen Seite aber auch weniger schön. Die Zwischensequenzen dagegen arbeiten viel mit Unschärfe, wodurch viel kaschiert werden kann. Hier sieht L.A. Noire gleich auch um einige Klassen besser aus. Immerhin: Es gibt selten Szenen, die wirklich abschreckend schlimm ausgefallen sind. Nur wäre hier eben insgesamt mehr drin gewesen.

Bei der Vertonung haben sich die Entwickler nicht lumpen lassen. Der Soundtrack, die Musik im Allgemeinen, sie passt wie die Faust aufs Auge. Sie unterstreicht den Flair der damaligen Zeit, wird im richtigen Moment bedrohlich und gibt auch zur richtigen Zeit klein bei. Die Synchronisation ist derweil mit eine der Besten, die es bisher gab. Aber: Es gibt das Spiel nur auf Englisch. Deutsche Untertitel werden aber angeboten.

Fazit:
Es ist nicht ganz einfach, eine passende Wertung für L.A. Noire zu finden. Es ist kein klassisches Spiel, wie wir es kennen. Es ist eine neue Form. Gerade in Sachen Erzählung. Gerade in Sachen Gameplay. Es unterscheidet sich einfach zu sehr von bisherigen Spielen. Als ähnliches Spiel könnte man Heavy Rain zitieren. Doch ist das wesentlich weniger interaktiv. L.A. Noire ist tatsächlich ein interaktiver Film. Eine Noir-Geschichte. Es ist noch lange nicht perfekt. Aber der Ansatz ist nahezu perfekt. Und aus diesem Grund, weil es so gänzlich anders ist, weil es eben einen durchweg genialen Ansatz hat, weil es so ungemein fesselnd ist, weil es Emotionen weckt, weil es Spannung schafft, verdient es die Höchstnote. - Michael Hoss

Wertung: 10 / 10

Kommentar verfassen:

Dein Name:   

Sicherheitscode:  



 

Bisherige Kommentare:

Es gibt bisher noch keine Kommentare.