Testbericht: Little Big Planet 2
Als vor etwas mehr als zwei Jahren Little Big Planet für die PlayStation 3 erschien, war ein Großteil der Sony-Fangemeinde voller Freude – endlich hatten sie den einen Exklusivtitel vorzuweisen, der die Konsole für alle Geschlechter aller Altersklassen spruchreif machen konnte. Keine non-stop Action für erwachsene, männliche Hardcore-Gamer. Kein inhaltsloser, knallbunter Ponyhof-Simulator für Mädels. Kein anspruchsloses, allzu niedliches Casual-Game für Kids. Stattdessen ein Spiel, das den härtesten Kerl Sticker und Kostüme sammeln lässt, das netteste Mädchen zur erbitterten Punktejägerin und das frechste Kind zu einem kreativen Levelarchitekten werden lässt.
Noch im November 2009, also ein Jahr nach Veröffentlichung des Erstlings, konnten sich die Mannschaft vom britischen Entwickler Media Molecule öffentlich noch keine Fortsetzung zu ihrem Großerfolg vorstellen. 3,5 Millionen Community-Level und unzählige DLCs später ist es nun doch soweit, und man darf natürlich skeptisch sein. Das, was 2008 noch als grandiose und einfallsreiche Idee galt, lässt sich nun nicht so einfach wiederholen – das dürfte einleuchten. Wo Little Big Planet einen eigenen Leveleditor mitlieferte und große Hoffnung in eine freischaffende, kreative Community setzte, kann also lediglich ein Update folgen. Doch schon jetzt sei gesagt, dass diese Überarbeitungen das Geld wert sind, Little Big Planet 2 als vollwertiger Nachfolger bezeichnet werden kann.
Little Big Planet ist – für jene, die partout noch nichts vom Titel gehört haben sollten – ein irgendwie klassischer Jump’n’Run-Sidescroller. In 3D-Grafik. Mit modernen Physik-Effekten. Mit einer liebenswerten Hauptfigur: Sack-Ding. Anfangs noch eine nackte Leinen-Puppe, werden schon zu Beginn die ersten abgefahrenen Kostüme gesammelt, die auf individuelle Weise miteinander kombiniert werden können. Eine Prinzessin mit Mexikanerhut, Superheldencape und Schnurrbart? Kein Problem! Eine Astronauten-Sackpuppe mit Käseglocke auf dem Kopf, einer Löwennase und Flipflops? Absolut erwünscht!
Klingt verrückt? Es geht noch weiter, denn in Little Big Planet 2 haben Media Molecule wohl so ziemlich jede beknackte Idee umgesetzt, die man sich vorstellen kann – und das dachte man schon vom Vorgänger. Schon beim bloßen Betrachten der reitbaren Roboter-Kaninchen, Robo-Welpen und des Hamstertrons möchte man sich auf den Boden schmeißen vor Lachen, fragt sich im gleichen Augenblick aber auch, unter welchen Drogen die Designer wohl gestanden haben müssen. Es gibt eine Törtchen-Kanone, mit der Sack-Ding-große, süß-klebrige Kirschtörtchen auf den Boden oder gegen Wände geschossen werden können, um mit ihrer Hilfe Hindernisse zu überwinden. Auf einer Biene sitzend werden entgegenkommende Fieslinge mit der H.O.N.I.G.-Kanone entschärft. In Anlehnung an den Film „Die Reise ins Ich“ wird eure Spielfigur geschrumpft und muss sich im Körper eines Wissenschaftlers mit Bakterien herumschlagen. Was kann man sich noch mehr wünschen? Richtig – Sackbots!
Im Storymodus – ja, im Gegensatz zu Teil 1 wird hier eine „richtige“ Geschichte erzählt – wird eure Spielfigur zunächst von Larry DaVinci und Avalon Zentrifuge in ihre kunterbunte Welt geholt, die vom bösen Negativitron bedroht wird. Eure Aufgabe ist es, sich der „Allianz“ als würdig zu erweisen und eine Armee aufzubauen – unter anderem mit genannten Sackbots. Diese wuseligen kleinen Roboter – durchaus vergleichbar mit den Minions aus „Ich – Einfach unverbesserlich“ – müssen zunächst befreit werden, stehen euch anfangs allerdings noch sehr skeptisch gegenüber. Was folgt, ist eine lustige Hatz durch den Level, denn schließlich müssen die euch stets ausweichenden Bots gegen ihren Willen in Sicherheit gebracht werden.
Das Leveldesign im Storymodus von Little Big Planet 2 ist ohnehin über jegliche Zweifel erhaben – abwechslungsreich gestaltet, nie eintönig und mit hohem Wiederspielwert. Zwar gilt es bei jedem Level die Ziellinie mit möglichst vielen Punkten und Gegenständen zu überqueren, doch sind die Herausforderungen diesmal so unterschiedlich wie bei kaum einem vergleichbaren Titel. Dieser Tatsache geschuldet sind nicht nur die Umgebungen an sich – von einer Kalenderfabrik, über ein Baum-Innenleben, bis hin zu einem Raumschiff sind so ziemlich alle Geschmäcker abgedeckt – sondern auch genannte Reittiere, Sackbots und neue Werkzeuge. Mittels „Griffinator“-Handschuhen ist es nun möglich, bestimmte schwere Objekte zu tragen und zu werfen, und dank des Enterhakens kann Sack-Ding nun über Schluchten schwingen wie Lara Croft. Diese Werkzeuge werden selektiv an den zahlreichen Checkpoints eines Levels vergeben, wodurch die nächsten Handlungsschritte immer klar vorgegeben sind.
Sonst bleibt vieles beim Alten: Little Big Planet ist nach wie vor als Online-Spiel konzipiert, wodurch jederzeit ein Mitspieler in einen Storymodus-Level eintreten kann – vorausgesetzt ihr seid mit dem Internet verbunden und erlaubt dem anderen Spieler mitzuspielen. Mit anderen Spielern zu spielen macht lokal oder online mehr Spaß, als alleine durch die Levels zu hopsen. In vielen der Levels sind wieder Kooperativ-Rätsel eingebaut worden, welche nur mit mindestens einem weiteren Spieler gelöst werden können. Durch zu findende Schlüssel in den Storylevels werden weitere Nebenlevels freigeschaltet, die wiederum zu Mehreren besonders Spaß machen.
Besonderes Markenzeichen der Little Big Planet Spiele sind ihre Physik-Spielereien. Obwohl wir Sack-Ding durch eine Spielzeugwelt steuern, müssen wir alle Rätsel unter Rücksichtnahme der für uns Spieler gültigen Physik lösen. Sehr interessant daran ist, dass uns Zockern, die schon seit mehr als zehn Jahren Videospiele spielen, konsequent abtrainiert wurde, logisch zu denken wenn es um Dinge wie Gravitation, Elastizität oder Impulse geht. In Little Big Planet müssen nun die in der Realität absolut nachvollziehbaren Prozesse mit in Betracht gezogen werden – was Videospielneuanfängern vielleicht einfacher gelingen mag, als dem Urgestein (… wir schätzen die technische Entwicklung dafür mehr).
Auch wenn man bei Little Big Planet 2 mit der Lupe nach Schwachstellen suchen muss, ungenannt sollen sie hier nicht bleiben. So bleibt die schon im Vorgänger bekannte Problematik beim Wechseln der 3D-Ebenen quasi unangetastet – das vor und zurück ist vor allem in Sequenzen, in denen schnelle Reaktion gefragt ist, äußerst frustanfällig. Die restliche Anzahl an Leben erkannte man im Vorgänger immer ohne zu rätseln direkt am Checkpoint; Teil 2 schludert hier und macht die Anzeige leider nicht mehr ganz so offensichtlich. Die Werkzeuge sind eine absolute Bereicherung für den kleinen großen Planeten, doch ist nicht immer sofort zu erkennen, welchen Gegenstand man gerade eingesammelt hat. Das Schwingen mit dem Enterhaken hat leider folgenden Haken: während durch das Bewegen des linken Analogsticks nach rechts oder links Richtung und Schwungkraft festgelegt werden, verkürzt und verlängert sich das Seil mit Bewegen des Sticks nach oben und unten. Der Tatsache geschuldet, dass man den Analogstick nicht immer konsequent in eine Richtung bewegt, er stattdessen meist ein wenig schief in eine Richtung geneigt wird, geht häufig der Schwung verloren weil wieder einmal das Seil länger oder kürzer wird. Nicht tragisch, aber unschön.
Fazit
Sackbots! Hamstertron! Törtchen-Kanone! Wie viel habe ich gelacht bei Little Big Planet 2. War der putzige Sack-Boy das Aushängeschild des Vorgängers, sind es nun zusätzlich die noch abgefahreneren Ideen von Media Molecule, die den Titel zu einem Meisterwerk machen. Klar, allzu viel am Spielprinzip hat sich nicht geändert, und das Fortbestehen und die Langzeitmotivation bestimmt die Community – die dank des noch größeren Leveleditors nun auch einzigartige Genres basteln können –, doch sind es diese Kleinigkeiten, die selbst für Besitzer vom ersten Teil einen Erwerb lohnenswert machen. Insbesondere die Mehrspielerfunktion macht Little Big Planet 2 nicht nur zum Vorzeigeprodukt, sondern auch zu einem großartigen Partyspiel. Zugreifen! Tobias Czullay
Wertung: 9/10