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Testbericht: Metal Gear Solid 4: Guns of the Patriots

05. 07. 2008 | Kategorie: Testberichte

Solid Snake wird alt. Der Urvater des Stealth-Genres ist gezeichnet von tiefen Falten und einer schneeweißen Haarpracht. Das hält seinen ehemaligen Arbeitgeber jedoch nicht davon ab, ihn aus seinem wohlverdienten Ruhestand zu reißen um ihn auf eine letzte Mission zu schicken, die gleichzeitig eine Zeitreise durch seine gesamte Karriere wird. Doch das ahnt der verbitterte alte Mann noch nicht, als er ein letztes Mal für die UN in den Kampf gegen seinen Erzrivalen und Bruder Liquid Ocelot zieht.

Screenshot: Metal Gear Solid 4: Guns of the PatriotsDas Spiel fasst sich in einem kurzen Satz selbst zusammen: Was Öl für das 20. Jahrhundert war, wird Krieg für das 21. Jahrhundert sein. In naher Zukunft führen Privatarmeen aus Söldnern fast jeden Krieg auf der Erde. Stehende Heere gibt es so gut wie keine mehr, jedes Land nutzt die „Mietsoldaten“ um seine Interessen durchzusetzen. Die mächtigen Konzerne dahinter verdienen gut daran und überlassen nichts dem Zufall: Jeder Pulsschlag, jede Gefühlsregung der Kämpfer auf dem Schlachtfeld wird elektronisch überwacht und gesteuert. Klar, dass so ein gewaltiges Machtinstrument nicht in die falschen Hände geraten darf. Natürlich kommt es aber doch dazu: Die fünf mächtigsten Konzerne gehören zu einem komplexen Kartell, dass geschlossen nach mehr Macht strebt. Der Drahtzieher hinter der Bühne ist kein geringerer als Liquid Ocelot, der Zwillingsbruder und Erzfeind des loyalen Solid Snake. Die UN fürchtet seine Macht und glaubt, das Liquid damit nichts Gutes anfangen will. Also muss Snake ein letztes Mal ran, um den Oberbösewicht zu stoppen.

Screenshot: Metal Gear Solid 4: Guns of the PatriotsHideo Kojima, der geistige Vater und Produzent der Metal Gear-Saga, hat das Geschichtenerzählen nicht verlernt und lässt es sich nicht nehmen, die Story von Metal Gear Solid 4 in bester Hollywood-Manier von einem Höhepunkt zum nächsten zu jagen. Hollywood ist hier generell Programm: Kaum ein Spiel wurde je mit so langen und zahlreichen Zwischensequenzen erzählt wie Metal Gear Solid 4. Streckenweise erinnert der Titel mehr an einen interaktiven Film als an ein waschechtes Spiel. Hierauf muss man sich einlassen können: So manche Sequenz dauert gut und gerne eine Stunde, bevor man das Pad wieder in die Hand nehmen darf. Wer nicht die Geduld verliert, wird aber mit einem intelligenten Plot belohnt, der es in sich hat. Kojima schickt den Spieler auf eine Zeitreise durch die Serie, die wie eine Ruhestandsparty für Snake anmutet. Und alle Bekannten schauen vorbei: Der Cyborg Ninja, Meryl, Naomi, Raiden… Nicht zu vergessen Snakes Weggefährte Otacon, der ihn auch auf dieser Mission begleitet und mit Infos und Gerätschaften versorgt. Zu Beginn überlässt er Snake den kleinen Roboter namens „Metal Gear Mk. II“: Diese Felddrone dient als Menü und Werkzeug. Mit ihm lassen sich Areale ausspähen und sogar Feinde mit einem Elektroschock lähmen.

Screenshot: Metal Gear Solid 4: Guns of the PatriotsFür alle, die bisher nichts von Metal Gear mitbekommen haben: Die Serie gilt als Begründer des Stealth-Genres, es geht also darum, sich seinem Missionsziel möglichst lautlos und unerkannt zu nähern. Kein Wunder, dass der alte Solid Snake darin reichlich Erfahrung hat: Unser Held bewegt sich so agil wie am ersten Tag. Um unerkannt zu bleiben, hilft ihm sein neuer Kampfanzug: Dieser nimmt automatisch die Muster und Farben der Umgebung an, sobald Snake für einen Moment regungslos verharrt. Eine Prozentzahl in der Ecke gibt an, wie gut seine aktuelle Tarnung ist. Kojima hat gelernt und mit diesem Feature die Fans von dem lästigen Verkleiden und Tarn-Make Up des Vorgängers befreit. Snake kommt wieder zügiger voran, ohne dass man sich als Spieler um jede Kleinigkeit kümmern muss. Ebenfalls ein nützliches Gadget ist das Solid Eye, eine Art Augenklappe. Mit ihr kann Snake leichter zwischen Freund und Feind unterscheiden, sieht Bewegungen in seiner Umgebung und findet dank Markierung auch gut versteckte Waffen. Ein paar neue Bewegungen gibt es auch zu bestaunen: So rollt sich unser Held auf den Rücken, um Granaten weiter werfen zu können. Hält er Gegnern eine Waffe vors Gesicht, heben diese ängstlich die Hände und lassen sich nach Gegenständen und Waffen durchsuchen. Danach schickt Snake sie mit einem beherzten Schlag ins Reich der Träume. Ein neuer, wichtiger Charakter ist Waffenhändler Drebin: Dieser unparteiische Geschäftsmann verkauft nicht nur Waffen, sondern schaltet auch die gefundenen Schießeisen der Söldner frei. Die meisten Waffen, die Snake auf dem Schlachtfeld findet, sind nämlich an die Identität ihres Trägers gebunden und lassen sich von Fremden nicht auslösen. Selbstverständlich befreit euch Drebin gegen ein kleines Entgelt auch von diesem Problem.

Es ist, als sei man nie weg gewesen: Snake steuert sich immer noch genau so intuitiv wie eh und je. Auch Anfänger drücken Instinktiv den richtigen Knopf, wollen sie eine Aktion ausführen. Es ist schlicht und ergreifend erstaunlich, wie es Kojima geschafft hat, ein derart komplexes Spiel so leicht bedienbar zu machen. Es scheint, als klebe Snake förmlich an dem Pad, während er durch die riesigen Areale schleicht. Generell ist zwar auch Metal Gear Solid 4 sehr linear, dennoch hat man als Spieler meist mehrere Möglichkeiten, um von A nach B zu gelangen. Die Schauplätze sind dabei immer stimmungsvoll und abwechslungsreich, was die dichte Atmosphäre gelungen unterstützt.

Erstmals darf ein Spiel der Metal Gear-Reihe auch online gespielt werden: Konami war großzügig und hat Metal Gear Online gleich mit auf die Disc gepackt. Ursprünglich war MGO als eigenständiger Titel geplant, allerdings wurde das Konzept noch einmal überdacht: Das enthaltene Spiel ist eine Art Starter Pack und besteht aus fünf Maps und fünf Spielmodi. Im Laufe der Zeit soll MGO dann durch herunterladbaren Inhalt zu einem eigenständigen Titel ausgebaut werden. Auch hier ist Schleichen natürlich Trumpf: In den verschiedenen Teamspielen geht es stets darum, sich möglichst unbemerkt seinen Widersachern zu nähern und in der Gemeinschaft verschiedene Aufgaben zu lösen. Wer es weniger heimlich mag, darf sich auch im klassischen Deathmatch die blauen Bohnen um die Ohren jagen.

Screenshot: Metal Gear Solid 4: Guns of the PatriotsWas ein Film sein will, muss auch wie einer aussehen: Das haben sich die Entwickler wohl auch gedacht und alle technischen Register gezogen, die die Hardware derzeit hergibt. Nicht eine unscharfe Textur beleidigt das Auge, jedes Detail – und sei es nur ein Rest Tapete an einer zerstörten Hauswand – sieht absolut authentisch aus und wurde mit viel Liebe gestaltet. Die Gesichtsanimationen sind ein Traum, jede Gefühlsregung der Akteure ist in ihren Augen abzulesen. Snake ist ein weiser Mann mit viel Charakter: Seine Bewegungen sind fließend und butterweich animiert. Es macht einfach Spaß zuzusehen, wenn er sich mal wieder den Rücken hält und stöhnt, weil er zu lange in der Hocke ausharren musste. Oder er zündet sich eine Zigarette an und genießt jeden Zug, während er entspannt aber ernst den Blick schweifen lässt. Die klangliche Inszenierung gibt sich da keine Blöße: Auch der Surround-Sound ist fein aufgelöst und wurde unheimlich dynamisch und kraftvoll abgemischt. Die englischen Synchronstimmen liefern wieder mal eine schauspielerische Glanzleistung ab und hauchen ihren Figuren Leben ein. Und wenn dann auch noch die vertrauten Geräusche ertönen – etwa wenn man von einem Gegner entdeckt wird oder einen Gegenstand einsammelt – fühlt man sich endgültig in seine Jugend und an den Anfang dieser großartigen Saga zurückversetzt. Nur, dass dieser Teil wohl endgültig das Ende bedeutet.

Fazit

Was für ein Finale! Snake ist auf seine alten Tage alles andere als eingerostet und verabschiedet sich mit einem Knall. Die Story strotzt vor Querverweisen und erzählt vieles aus den Vorgängern zu Ende. Aber auch Einsteiger kriegen einen spannenden Plot geboten, der keine Vorkenntnisse verlangt. Die Präsentation und das nach wie vor schnörkellose Gameplay sorgen schließlich dafür, dass Metal Gear Solid 4 zu einem Denkmal reift. Ein Denkmal für eine Serie, die wie kaum eine andere das Videospiel als Kulturgut etabliert hat. Simon Weiß

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