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Testbericht: No more Heroes – Heroes Paradise

09. 06. 2011 | Kategorie: Testberichte

Wenn ich die Nummer 1 werde, schläfst Du dann mit mir? Travis Touchdown tötet sich an die Spitze der United Assassin Association. Nicht für eine Handvoll Dollar, sondern für die Aussicht auf ein Schäferstündchen mit der kühlen Blonden, die ihn am Abend zuvor in der Deathmatch Bar hat abblitzen lassen.

Screenshot: No More Heroes – Heroes ParadiseDie laszive Blondine rekrutiert neue Killer für die UAA und Travis passt genau in Ihr Beuteschema. Nach dem Intro befindet man sich auf Platz 11 und arbeitet sich stetig die blutige Rangliste nach oben. Macht das Spaß? Ja, das macht es, aber es lässt sich am ehesten mit einem sündigen Vergnügen vergleichen. Es macht so viel Spaß wie ein schlüpfriger Witz oder ein Selbstjustizstreifen aus den 80er Jahren.

Im Kern handelt es sich bei No More Heroes – Heroes Paradise um ein Third-Person Action-Adventure, in dem ihr euch mit Hilfe eures Laserschwertes gegen eine Überzahl an Gegnern behaupten müsst. Auf der Spitze des Leichenbergs, den ihr im Laufe eines Levels auftürmt, wartet der ranglistennächste Assassine auf euch. Das ganze Szenario ist in der fiktiven Stadt Santa Destroy angesiedelt und spielt trotz des Laserschwerteinsatzes im Hier uns Jetzt. Ob eine tiefere Motivation hinter Tavis’ bereitwilliger Tour de Force existiert sollte jeder Spieler selber herausfinden.

Suda 51 sollte seit Killer 7 vielen Spielern schon bekannt sein. In nächster Zeit kommt sein neues Spiel Shadow of the Damned in die Läden, aber vorher noch lässt er seinen brachialhumorigen 2008er Hit in HD los. Wer keine Wii besitzt, der kam bisher nicht in den Genuss mit Travis Touchdown Gegner in Streifen zu schneiden und Kokosnüsse umherzutragen. Was Herr Suda 51 uns hier vorsetzt ist ein kruder Mix aus Quicktime-lastigen Einer-gegen-Alle Fights und sterilem Openworld-Szenario im Stil von Grand Theft Auto 4. Die Handlung des Spiels hangelt sich an den spaßigen Bosskämpfen entlang und könnte sich mühelos an der Struktur eines Shadow of the Colossus orientieren. Stattdessen aber schicken uns die Entwickler immer wieder durch die lieblose Stadt Santa Destroy, um Geld für die Qualifikation zum nächsten Ranglistenkampf aufzutreiben. Die Routine ist schnell durchschaut. Der Boss wartet am Ende des Levels auf die Konfrontation mit dem Laserschwert schwingenden Helden, der auf seinem Weg dorthin viele Kinder zu Waisen und liebende Ehefrauen zu Witwen, gemacht hat. Hat der farbenfrohe Levelboss erst einmal seinen aktuellen Rang mit seinem Leben abgegeben, wird der Spieler erneut entlassen und darf sein Apartment und die Stadt erforschen.

Screenshot: No More Heroes – Heroes ParadiseDie Stadt ist der größte Schwachpunkt des gesamten Spiels, denn Santa Destroy bleibt weit hinter ihren Möglichkeiten zurück. Es gibt einige Shops, in denen man Waffen, Gegenstände und Kleidungsstücke erwerben kann. Das macht Sinn und lädt zum ausprobieren ein. Auch kann man Minigames absolvieren, um dann vom zufriedenen Kunden einen Auftragsmord spendiert zu bekommen. Nur zeichnet sich auch hier wieder ein schnell erkennbares Muster ab. Erst muss man ein Minigame absolvieren, ehe man einen neuen, besser bezahlten Auftragsmord absolvieren darf, um schlussendlich wieder genug Geld für den bevorstehenden Ranglistenkampf erübrigen zu können. Hier möchten wir kurz vorweg nehmen, dass die einfache Struktur nicht so schlimm ins Wertungsgewicht fällt, wie man vermuten könnte, denn es spielt mit solchen Arcade-Klischees und verwendet diese Mechanismen gekonnt als Zitate. Visuell verdeutlichen das die schönen 8-Bit Icons, die als Wegweiser oder Eingabeaufforderung allgegenwärtig sind. Wirklich schade ist, dass No More Heroes – Heroes Paradise eine Identitätskrise zu haben scheint und sich nicht gänzlich als das Arcadespiel präsentiert, dass es hätte sein können. Stattdessen wird der Spieler mit einer sterilen, fast NPC-freien Zone gelangweilt. Mit viel Fantasie lässt sich dieser Mix als Stilmittel ansehen, der sich in Suda 51’s großen Plan eines Spielekunstwerks eingliedern lässt – wir glauben aber, dass man zu viel wollte und hiermit ein probates Mittel gefunden hat die Spielzeit künstlich zu verlängern.

Das Apartment wiederum und die verschiedenen Möglichkeiten Skills zu verbessern und Optik anzupassen machen Sinn und Spaß. Ein Kleidungsgeschäft eröffnet Travis neue Mode-Möglichkeiten gegen Bares, im Fitnessstudio lassen sich Skills per Buttonmashing verbessern und ein Shop in der Nähe der Wohnstätte verkauft und tuned Laserschwerter. Das Apartment fungiert hier als Menü zum speichern, einkleiden oder ausrüsten. Der Speichervorgang verläuft erfrischend anders, denn Travis speichert mit runtergelassenen Hosen auf dem WC.

Screenshot: No More Heroes – Heroes ParadiseOptisch glänzt der Titel dank seines Stils, hinkt aber technisch etwas hinterher. Beim Sound gilt ebenfalls Style over Substance: Ein großes Pro ist das tolle Charakterdesign sämtlicher Hauptcharaktere. Besonders Anime und Manga Liebhaber kommen hier voll auf Ihre Kosten. Die Modelle strotzen nur so vor kleinen Details und großer Persönlichkeit. Bei solchen Namen wie Death Metal, Destroyman oder Harvey Moiseiwitsch Volodarksii darf man hier auch einiges erwarten. Die Damen sind lasziv, die Herren theatralisch und der Zeichenstil virtuos. Wirklich nett ist der Einsatz von Farbe im Zusammenspiel mit den witzigen 8 Bit Icons. Veteranen und Gamer der ersten Stunde werden sich bei diesen Pixelelemten das Schmunzeln nicht verkneifen können, erst recht nicht wenn dazu die passenden Sounds aus den Boxen biepen. Erinnert sich noch jemand an den arcadelastigen Sound des ersten Playstation Ridge Racers? Diese Assoziation wollten mir während des spielens einfach nicht aus dem Kopf. Herrlich unsubtil dröhnen die Retrosounds aus den Boxen. Zum Sortiment gehören 8 Bit Sounds, frenetische Elektromusik und klischeehafte Oneliner.

Technisch liegt No More Heroes – Heroes Paradise im Mittelfeld. Dank des angestrebten Stils lassen sich die polygonarmen Level und die repetitiven Animationen gut verschmerzen. Das verwöhnte Spielerauge schaut durch die grelle Fassade und muss sich lediglich mit einem HD Upgrade der 2008er Wii Version begnügen. Technische Schnitzer gibt es nicht viele. Alles schaut klar und sauber aus und nur selten stottert die Framerate bei zu vielen Fontänen roten Lebenssaftes.

Screenshot: No More Heroes - Heroes ParadiseDie Wii Fassung sorgte 2008 noch für Gesprächsstoff. War die europäische Fassung nun ungeschnitten oder nicht. Das amerikanische Gegenstück wies einen nicht zu verleugnenden Gewaltgrad auf, unsere Fassung hingegen ließ nicht Blut sondern Asche regnen. Die Debatte wird es bei dieser Fassung nicht geben – PS3 und Xbox 360 Versionen triefen nur so vor Kunstblut. Deutlich schlägt sich das auch in den Zwischensequenzen nieder, in denen Travis’ unglückliche Kontrahenten häufig mehr als nur ihr Schwert verlieren. Wirklich kontrovers oder deplatziert wirkt der Gebrauch von Gewalt hier aber nicht. Durch den Humor und die Optik werden die Gewaltspitzen gebrochen und entpuppen sich als ein Stilmittel und nicht als die Hauptattraktion.

?Fazit:
Zu den Vorteilen zählen ganz klar Opitk, Humor und Design. Was einige Spieler ebenfalls entzücken wird, ist die zensurbefreite Version in der Gewalt als Stilmittel immer probat wirkt. Suda 51 Fans können angstfrei zugreifen. Auch wer auf Anime/Manga oder Brachialhumor steht sollte einen Blick riskieren. Für alle anderen führt leider kein Weg an der Leihversion vorbei ehe zugegriffen werden sollte. Das Kampfsystem macht in kurzen Dosen Spaß, kann aber nicht mit Genregrößen der letzten Jahre konkurrieren, die Technik ordnet sich dem Design zu bereitwillig unter und das Openworld-Szenario lässt sich nur schwer rechtfertigen. - Dennis Kilian

Wertung: 7 / 10

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