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Testbericht: Risen

02. 10. 2009 | Kategorie: Testberichte

Rollenspiele und Wirtschaftssimulationen, neuerdings auch Adventures, scheinen seit jeher das große Steckenpferd der deutschen Spieleentwickler zu sein. Nach der in unseren Landen sehr beliebten Gothic-Reihe schlagen die Essener Piranha Bytes anno 2009 wieder zu – mit Risen veröffentlichen sie diesmal wieder einen ihren Traditionen folgenden Titel, neben dem PC auch für die Xbox 360. Viel wurde in den letzten Monaten darüber spekuliert, ob sich das große Bugfest von Gothic 3 wiederholen wird, und um dieser Frage gleich vorzugreifen: Risen ist nahezu fehlerfrei und ein verdammt gutes Spiel noch dazu.

Screenshot: RisenAls blinder Passagier auf dem Schiff der Inquisition geratet ihr in einen großen Sturm und es kommt wie es kommen muss: Als einer der wenigen Überlebenden werdet ihr an den Strand einer idyllischen Tropeninsel geschwemmt. Zusammen mit Sara erforscht ihr die nahe Umgebung, um schließlich zu erfahren, dass zwei Fraktionen, Orden und Banditen, um die Vorherrschaft auf der Insel kämpfen. Während der Banditenanführer Don Esteban versucht, die Herrschaft über die Hafenstadt wieder zu erlangen, die ihm vom Inquisitor der Ordenskrieger genommen wurde, geratet ihr nun als Neuankömmling inmitten dieses Machtkampfs. Ihr erfahrt von den magischen Kristallscheiben, die das Tor in einen riesigen Vulkan öffnen, in dem sich das Geheimnis von Leben und Tod jenseits und auf der Insel verbirgt. Und eben das gilt es zu lüften, denn die sagenumwobenen, aus dem Boden sprießenden Tempelruinen deuten bereits an, dass eine weitaus höhere Macht als Menschen und Magier über der Insel lauert.

Screenshot: RisenSelbst steuern dürft ihr den namenlosen Helden nun ab jenem Moment, in dem der Schiffsbrüchige am Strand von Faranga erwacht. Um euch herum andere, weniger Glückliche Passagiere, aber auch die Überlebende Sara, mit der ihr das Tutorial in Risen vollbringen werdet. Sie gibt euch erste Anweisungen wie: Finde Waffe, betrete Hütte und suche nach Schlüssel für Truhe. Wie viele andere Quests auch ist das Tutorial unverbindlich, das heißt, ihr könnt die gute Frau auch einfach am Strand stehen lassen und selbst ins Zentrum der Insel vordringen. Wie auch immer ihr vorgeht, dort angekommen werdet ihr erstmals mit Orden und Banditen konfrontiert. Nun liegt es an euch, sich für eine Seite zu entscheiden – während euch der Orden die Möglichkeit bietet, Stabkampf und Magie einzupauken, könnt ihr bei den Banditen Schwertkampf und Diebeskünste erlernen. Obwohl euch auch hier zunächst die Möglichkeit eingeräumt wird, zuerst die Hafenstadt aufzusuchen, statt von den Ordenskriegern zwangsrekrutiert zu werden, müsst ihr früher oder später eine der beiden Seiten wählen, um der Geschichte weiter folgen zu dürfen.

Screenshot: RisenWie auch immer ihr euch entscheidet, die Reise führt euch durch abwechslungsreiche, bewaldete Gebiete, Städte und Häuseransammlungen, Ruinen und Höhlen, welche allesamt gespickt sind mit verschiedensten Gegnern, die scheinbar nur darauf warten, erlegt und geplündert zu werden. Rätsel gilt es hier zu lösen, Gegenstände zu sammeln, mit vielfältig gestalteten Charakteren zu reden und deren Aufgaben zu erfüllen. Nicht viel Neues also an dieser Front, aber das Gesamtpaket ist das, was Risen herausstechen lässt – und das ist gewaltig. Denn statt wie in vielen Rollenspielen auf ein buntes Szenario zu setzen, möglichst viele Zaubersprüche und abgefahrene Reittiere einzubauen, bleibt es hier verhältnismäßig bodenständig. Klischeebeladene Elfen, Drachen und Orks fehlen gänzlich, die Handlung ist zwar nicht sonderlich innovativ aber ständig präsent, Braukraut und Bier tun der Gemütlichkeit ihr übriges. Zudem hat so ziemlich jede Figur der man begegnet ihren eigenen Tick, sei es die schiere Unfreundlichkeit, Alkoholismus, Paranoia oder Größenwahn, in Risen ist keiner „normal“.

Screenshot: RisenÄhnlich wie bei vielen anderen Rollenspielvertretern müssen auch in Risen Erfahrungspunkte gesammelt werden, um in der Charakterstufe zu steigen, Fähigkeiten erlernen und ausbauen zu können. Allerdings werden diese gesammelten Punkte nicht an Ort und Stelle in einem komplexen Menüfenster eingelöst, sondern nur bei gewissen Charakteren im Spiel, die natürlich auch Gold als Aufwandsentschädigung verlangen. So ist es notwendig, sich mit den NPCs gut zu stellen, von denen ihr beispielsweise das Schleichen lernen oder in einer Stufe dieser Fähigkeit aufsteigen wollt. Das ist natürlich herausfordernder, sorgt dieses System doch dafür, dass man in einem Spielverlauf unmöglich alle Skills ausschöpfend erlernen kann. Jemand, der als Bandit Schwertkampf gelernt hat, kann zwar auch den Stabkampf erlernen, wird jedoch nie in beiden Kampfkünsten die maximale Stufe erreichen – nachteilig bei späteren, nicht unbedingt zimperlichen Gegnern wie den mächtigen Donnerechsen. Deshalb sollte man sich von vornherein darüber bewusst sein, wie man seine Punkte verteilt, beziehungsweise eben bei der Fraktion bleiben, für die man sich eh schon entschieden hat. Ein Hybrid aus Magier und Nahkämpfer wird es im späteren Verlauf weitaus schwerer haben, als ein auf eine Fähigkeit ausgerichteter Charakter.

Screenshot: RisenWas die Gegnervielfalt angeht wird in Risen nicht sonderlich auf Variation gesetzt: Stachelratten, Wölfe, Grabmotten oder Wildschweine existieren allesamt in einer schwachen und einer stärkeren Variante und sind die vorherrschenden Geschöpfe in Faranga. Hervorzuheben sind hier jedoch die Gnome, die einfach drollig aussehen, keineswegs aber unterschätzt werden sollten, greifen sie doch immer in kleinen Gruppen an und bewerfen euch sogar schon von weitem mit allem, was nicht niet- und nagelfest ist: Äpfeln, Büchern und anderen kuriosen Dingen. Natürlich kann man sich auch mit menschlichen Figuren anlegen, doch sollte man dies tunlichst vermeiden, solang es nicht von einer Quest vorgegeben ist. Denn sobald man sinnlos auf jemanden einklopft, strömen andere Bürger und Krieger in der Nähe mit einer unglaublichen Zivilcourage auf euch ein, rufen um weitere Hilfe und schlagen euch im ungünstigsten Fall nieder und nehmen sich, nachdem ihr ohnmächtig auf den Boden der Tatsachen verfrachtet wurdet, ein gewisses Entgelt. Und, wie könnte es anders sein, natürlich nehmen es euch die Gepeinigten auch äußerst übel, dass ihr sie so plötzlich angegriffen habt – wenn sie nach gewisser Zeit wieder mit euch sprechen, sind es sicherlich keine netten Worte die sie für euch übrig haben. Um an eine Quest zu kommen, die Mann oder Frau anbietet, müssen nun übernatürliche Überredungsmaßnahmen getroffen werden: mittels einer Witz-Spruchrolle. Kein Witz, benutzt man eine solche an einem beleidigten Bürger, vergisst er jede Schmach und es scheint, als wäre nichts gewesen. Und es gibt weitere erheiternde und hilfreiche Spruchrollen oder auch Zaubersprüche, die es zu finden und zu erlernen gilt: Ein Nautilus-Spruch verwandelt euch kurzzeitig in eine Art Schnecke, mit der ihr durch kleine Wanddurchbrüche gelangt, in eine im Nahkampf besonders starke Aschebestie könnt ihr euch verwandeln, per Levitation Gründe überqueren, den Berserker spielen oder Kraftfelder durchbrechen und Hilfe von Untoten herbeirufen. Eine durchaus gelungene Auswahl, auch wenn sich Spruchrollen, nachvollziehbarerweise, verhältnismäßig selten finden.

Technisch ist Risen nun zwar leider keine Referenz, aber durchweg stimmig. Die Grafik ist mit ihren Unschärfeeffekten, den dynamischen Tag- und Nachtwechseln und den absolut beachtlichen Gebäuden und der Vegetation äußerst ansehnlich – Figuren hingegen sind eher klobig, Animationen etwas zu starr und Texturen zu repetitiv. Der Sound ist zweifellos gelungen, Synchronsprecher sind gut gewählt, die Musik ist umwerfend schön bis bedrohlich. Und obwohl sich die Sprecher und auch die Musikstücke manchmal auffällig wiederholen, haben die Dialoge einfach Kultfaktor, die Melodien Ohrwurmqualität. Die Steuerung funktioniert mit ihrem Angriff-Konter-System gut, ist zuweilen nur etwas schwerfällig, wodurch die Kämpfe allerdings an taktischer Vielfalt gewinnen.

Fazit

Im Großen und Ganzen weiß Risen definitiv zu überzeugen. Wenn auch nicht technisch auf der absoluten Höhe, weiß der Titel, wo die Prioritäten liegen: Nämlich einerseits auf der famosen Atmosphäre mit zahlreichen durchgeknallten Gestalten, hervorragender Musikuntermalung und einer spannenden Handlung. Andererseits auf dem tollen Skillsystem, dem gelungenen Balancing, der großen erforschbaren Spielwelt und den vielen Quests und Gegenständen. Die unzeitgemäße Physikengine – kein Gegenstand lässt sich umwerfen und der Spruch Telekinese ist nur bei bestimmten Schaltern einsetzbar –, das bei vielen Einträgen schnell unübersichtlich werdende Questbuch und die träge Steuerung lassen sich dabei durchaus verschmerzen. Denn: Hier stimmt alles, was den Rollenspiel-Fan und auch Neuankömmlinge in der Welt von Piranha Bytes zufrieden stellen sollte. Risen ist einfach ein rundum gelungenes Spiel, das hoffentlich auch, dank speziell angefertigter Synchronisation und Konsolenportierung, auf dem internationalen Markt Erfolg haben wird. Ich persönlich freue mich jedenfalls jetzt schon auf die angedachte Fortsetzung – einem Verkaufserfolg hierzulande dürfte wohl nichts im Wege stehen. Tobias Czullay

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