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Kolumne: Werden wir je glauben was wir sehen?

22. 01. 2010 | Kategorie: Artikel

Drei Wochen ist das Jahr 2010 bereits alt, und so wird es auch für mich Zeit, einen kleinen Rückblick auf das Jahr 2009 zu wagen. Nun soll dies allerdings nicht in einer Auflistung der bemerkenswertesten Momente geschehen, sondern eher einer Auseinandersetzung mit der visuell-technischen Entwicklung weichen. Eher der Frage nachkommen: Was haben wir im letzten Jahr alles gesehen?

Full HD LogoDas Fundament für eine neue Dimension des Visuellen wurde bereits einige Jahre zuvor mit High Definition gelegt, erschwinglich und damit massentauglich wurde diese Technik allerdings erst in den vergangenen zwei Jahren. Plasma-, LCD- und mittlerweile auch LED-Fernsehgeräte erhalten – sichergestellt durch die Industrie – auch Einzug in Wohnzimmer von Menschen ohne ausgeprägten Sinn für 1080p. Mitzieher und Gewinner einer vorausgehenden Formatschlacht ist die BluRay, die nicht zuletzt durch die sinkenden Preise der Abspielgeräte, der PlayStation 3 und der Medien selbst ihre Daseinsberechtigung langsam erfüllen kann. Auch der sehr verhaltene Ausstrahlungsbeginn einiger weniger Fernsehsender in hochauflösender Qualität brüllt förmlich: HD für alle!

Ein Quantensprung? Nun, das muss jeder für sich selbst entscheiden. Qualitätsfetischisten wollen seit der ersten BluRay keine DVD mehr sehen, andere sehen kaum einen bemerkenswerten Unterschied. Und doch, lässt man sich auf diesen Wandel ein und würdigt ihn gebührend mit noch mehr Freude am Home Entertainment, sind es vor allem die Details, die dem Konsumenten ins Auge springen. Freilich sind störfreie Bilder, knallige und satte Farben nett anzusehen, ein Film- oder Spielerlebnis auf einem großen Breitbildfernseher zweifellos intensiver als auf einer kleinen Röhre. Und genau das soll Unterhaltung doch sein: ein Erlebnis.

Die Kletterpartien sind spaßig, aber nicht sehr forderndNicht nur die Technik zur Darstellung konnte sich vor allem im letzten Jahr festigen, sondern eben auch die von ihr dargestellten Medien. Videospiele und Filme zeigten sich in Bestform, denn zumindest im punkto visuelle Qualität gab es ordentlich was auf die Augen. Mit Uncharted 2 erschien der erste Titel, der die Hardware der PlayStation 3 an die Spitze trieb und dabei einfach unbeschreiblich gut aussah, Forza 3 forderte die letzten Reserven der Xbox 360 heraus, Modern Warfare 2 glänzte nicht nur auf den Konsolen, sondern auch auf dem heimischen PC. Das Kino lockte mit fantastischen Special-Effects-Feuerwerken wie Star Trek, Transformers 2, District 9, 2012 oder jüngst Avatar. Angesichts dieser Masse an zumindest optisch hochwertigen Produktionen fragt man sich schon, was eigentlich noch verbesserungswürdig erscheint. Und ich mich: Werden wir jemals glauben was wir sehen?

Sein wir ehrlich: Avatar sah schon verdammt gut aus – in 3D wie auch in 2D. Was uns James Cameron hier bietet, haben viele vor ihm versucht – danke George Lucas – aber keiner war dabei so erfolgreich, eine fremde Welt halbwegs glaubwürdig zu inszenieren. Denn darum geht es doch, um die Glaubwürdigkeit, die Überzeugungskraft. Ohne sie bleibt ein Film ein Film, ein Spiel ein Spiel. Doch kann es überhaupt eine nächste Ebene geben? Können wir glauben was wir sehen, oder andersherum: Sehen wir das, was wir glauben?

Screenshot: Modern WarfareZugegeben, die letzte Frage bedarf einer gewissen Erläuterung, um sie in dieser Form stellen zu dürfen. Denn natürlich sehen wir das was wir glauben, zumindest in unserer subjektiven Wahrnehmung. Wenn es nun allerdings um die Unterhaltungsmedien geht die wir konsumieren, muss die Frage eigentlich unausweichlich mit einem „Nein“ beantwortet werden. Keiner von uns hegt die Erwartung, ein Videospiel zu starten und die Realität zu spielen, ebenso wenig einen Science-Fiction-Film zu sehen und zu verlangen, die Wahrheit zu sehen. Unsere Unterhaltung basiert auf Fiktion, auf purer Inszenierung und dem Befriedigen gewisser Sinne. Auch wenn wir die vermeintliche Wahrheit abgebildet bekommen, so bleibt lediglich ein Abbild, bestehend aus Kulissen mit Schauspielern oder riesiger Welten bestehend aus Polygonmodellen. Dessen sind wir uns bewusst – weder schießen wir auf echte Menschen, noch ist der Darsteller des Fieslings im Film wirklich vor unseren Augen gestorben.

Hinzu kommt die Latenz, also die Zeitverzögerung. Denn selbstverständlich wohnen wir im Kino nicht (oder höchst selten) einem live aufgeführten Schauspiel bei, noch ist die Story bei Singleplayer-Spielen auf jeder Spieleplattform anders. Alles das, was wir sehen wurde bereits vor geraumer Zeit aufgezeichnet und auf eine Datenscheibe, respektive Filmrolle gepresst. Ein Konstrukt basierend auf Drehbüchern und Einfällen diverser beteiligter Personen.

Fazit dieses Gedankens: Wir konsumieren Unterhaltungsmedien – hier beschränkt auf Videospiel und Film – von denen wir wissen, dass sie nicht „echt“ sind. Sie sind maximal Abbild der Realität, nicht aber die Wirklichkeit selbst. Ein Produkt, das wir uns zu Gemüte führen, um Unterhaltung zu erleben, ohne den Anspruch daran haben zu müssen, dass das was wir sehen auch tatsächlich existiert. Auch wenn die Effekte noch so überzeugend, ja man möchte sagen echt, aussehen, wissen wir doch, dass es keine drei Meter großen blauen menschenähnlichen Wesen auf einem Planeten namens Pandora gibt. Wir sehen also auf dem Bildschirm nicht das, was wir auch tatsächlich glauben.

Die Steuerung der Flugabschnitte ist gewöhnungsbedürftigNun meine Ausgangsfrage: Werden wir je glauben, was wir sehen? Mit dem vorangehenden Text ist sie zwar an sich schon geklärt, denn mit dem Bewusstsein über das Medium das wir konsumieren, können wir nicht wirklich glauben was wir sehen, doch ist auch hier eine kurze Auseinandersetzung vernünftig. Auch wenn ich jetzt behaupte, dass sich jeder Konsument über die Unechtheit des Gesehenen bewusst ist, muss das nicht zwangsläufig der Wahrheit entsprechen, bzw. der einzige Gesichtspunkt sein. Wichtig ist nämlich hierbei der Verbraucher selbst, und mit ihm seine individuelle Gabe der Vorstellungskraft – der Fantasie wenn man so mag. Auch wenn uns bei audiovisuellen Medien die Arbeit der eigenen Interpretation des Gesehenen meist abgenommen wird, kann man sich in eine dargestellte Welt durchaus einfühlen, sich vorstellen, dass sie tatsächlich existiert. Daraus entsteht nun eine weitere Frage, die hier nun allerdings jedem selbst überlassen sein soll: Wird diese Vorstellung im Kopf zur Realität?

Meiner Auffassung nach steht das Jahr 2009 synonym für eine kleine technische Revolution. Nicht nur, dass sich die Darstellungsmedien (Fernseher, BluRay) maßgeblich in Richtung HD und 3D ausrichten und damit für ein „mittendrin-statt-nur-dabei“-Gefühl sorgen, sondern auch, dass die dargestellten Medien (Filme, Spiele) in ihrer Überzeugungskraft durch bessere Grafik oder Special Effects steigen, deuten nur an was in den nächsten Jahren auf uns zukommen wird. Das Holodeck rückt näher, und bei seiner Veröffentlichung sollten wir uns der Frage dieses Artikels vielleicht noch einmal widmen. Tobias Czullay

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