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Kommentar: Der traurige Abend des Deutschen Computerspielpreises

30. 04. 2010 | Kategorie: Artikel

Gestern wurde feierlich der Deutsche Computerspielpreis verliehen. Anno 1404 wurde nicht nur bestes deutsches, sondern auch bestes internationales Spiel 2009. Das hätte eigentlich der Höhepunkt des Abends sein sollen, war es aber nicht: Im Mittelpunkt stand stattdessen die Korrumpierung des Preises durch die langen Arme von Jugendschutz und Politik.

Kurz nach Bekanntgabe des Gewinners in der Rubrik "Bestes internationales Spiel" war der Skandal perfekt. Waren zunächst die drei Spiele Dragon Age Origins, Uncharted 2 und Professor Layton und die Schatulle der Pandora nominiert, gab es plötzlich die Überrraschung: Anno 1404 wurde hastig "nachnominiert" und prompt zum Sieger gekürt. Nicht, dass Related Design nicht stolz auf ihr Werk sein könnten - die Kategorie "Bestes Deutsches Spiel" hatten sie bereits verdient für sich gewonnen - dennoch riecht dieser unerwartete Sieg des deutschen Studios mehr als faul.

Der Grund: Scheinbar waren einige Jury-Mitglieder aus Politik und Pädagogik nicht damit einverstanden, dass der eindeutige Favorit Uncharted 2 den Preis für sich beansprucht - immerhin wird im Verlauf der Story permanent geschossen! Das war offenbar nicht mit dem Grundsatz eines "kulturell und pädagogisch" wertvollen Inhalts vereinbar, weshalb man schnell das deutsche Vorzeigespiel um "Historie und Strategie" einfach ein weiteres Mal auszeichnete.

Der Aufschrei in den Medien folgte prompt, und er war gnadenlos: Unsere gewohnt scharf schießenden Kollegen von 4Players.de bedauerten den "armen deutschen Spielepreis", Onlinewelten.com sinnierte über "die heile Gamingwelt der Politik", und selbst die General Interest-Presse war empört: Die Welt Online berichtet über die "peinliche Posse um den Deutschen Computerspielpreis", und DerWesten.de bringt es auf den Punkt: "Der Deutsche Computerspielpreis: Eine Farce".

Ein cineastisch inszeniertes, spannendes Abenteuerspiel mit interessanter Geschichte und eindrucksvoller Grafik durfte nicht "Bestes internationales Spiel" werden, da die Konflikte im Verlauf der Handlung stets mit Waffengewalt ausgetragen werden. Das wäre in etwa so, als ob ab sofort nur noch romantische Komödien einen Oscar erhalten würden, weil kontroverse Streifen wie "Inglourious Basterds" nicht gut für die Kleinen sind. Inszenierung, künstlerischer Anspruch, geschickte Erzählweise - alles egal. Solange geschossen wird, solange Drogen, Sex und Gewalt herrschen, solange ist es "kulturell wertlos".

Die Politik möchte einerseits Computerspiele als Kulturgut anerkennen, sich dabei aber stets in einer heilen, "pädagogisch wertvollen" Welt bewegen. Dass das aber gar nicht die Aufgabe der Kultur ist, sollte jedem schon seit Shakespeares blutiger Tragödie "Macbeth" klar sein. Düstere Erwachsenenunterhaltung der Marke Lars von Trier ist ebenso Kulturgut wie "Keinohrhasen", das ist auch in deutschen Breitengraden allgemein anerkannt. Warum sollte das bei Computerspielen anders sein?

Den Deutschen Computerspielpreis dürften wir nach diesem Skandal wohl zum letzten Mal gesehen haben. Man wird nicht erwarten dürfen, dass die Spieleindustrie - die den Preis zur Hälfte finanziert - sich gerne in der Rolle der Marionette für idealistische Politiker mit antiquiertem Weltbild sieht. Deutschland macht sich damit nicht nur moralisch ein weiteres Mal lächerlich, auch als Wirtschaftsstandort dürfte unsere Republik nach dem gestrigen Abend einigen Schaden genommen haben - zumindest in den Augen der milliardenschweren Spieleindustrie. Chance vertan, die "Internetausdrucker" haben ein weiteres Mal gewonnen und einer aufstrebenden, jungen Generation aufgezeigt, dass die ewig ahnungslosen Sittenwächter die Zügel weiter fest in der Hand halten. Simon Weiß

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